Bouldern: Der richtige Sport für Sportmuffel

Bouldern hat in den letzten Jahren den Sprung vom Nischen- zum Breitensport geschafft. Spätestens seit Olympia dürfte das Klettern in Absprunghöhe auch Sportfans jenseits der Kletter-Community ein Begriff sein. Gleichzeitig öffnen überall im Land neue Kletterhallen, was den Zugang für viele Menschen erleichtert. Vergleicht man es mit der Situation vor ein paar Jahren, ist auch der Routenbau wesentlich abwechslungsreicher und einsteigerfreundlicher geworden. Die Gelegenheit, es selbst einmal zu probieren, ist also so günstig wie nie. Solltest du der Halle in deiner Nähe noch keinen Besuch abgestattet haben, wird es Zeit. Denn es gibt viele gute Gründe dafür, warum Bouldern das Richtige für dich sein könnte – auch oder gerade, wenn Sport für dich bisher keine große Rolle gespielt hat.

Bouldern ist eines der besten Fitnessprogramme

Der erste Grund dafür ist eigentlich ziemlich offensichtlich: Bouldern ist eine hervorragende Möglichkeit, vielseitig in Form zu kommen und zu bleiben. Die Wenigsten dürfte überraschen, dass beim Klettern Kraft in den Fingern, in den Armen und im Oberkörper gefragt ist. Tatsächlich kommt auf physischer Seite aber noch einiges mehr hinzu.

Kletterst du zum Beispiel im Überhang, spielt die Spannung in Rumpf und Beinen eine große Rolle. Diese Art des Trainings beugt weit verbreiteten Problemen wie Rückenschmerzen vor oder kann sie effektiv bekämpfen. Jenseits der steilen Wände bietet der in den Hallen heute vorherrschende Stil dynamischen Bewegungen viel Raum. Von leichten Sprüngen bis zu Koordinationsbouldern, die aus dem Parcours stammen könnten, ist alles vertreten. Das schult deine Explosivität und Koordination. Willst du außerdem deine Balance und Beweglichkeit verbessern, sind Plattenboulder der richtige Anlaufpunkt. Als Platten werden leicht liegende Wände bezeichnet. Hier finden sich typischerweise Kletterprobleme, in denen ein gutes Gefühl für die Position des Körperschwerpunkts wichtiger ist als die reine Kraft.

Damit bietet das Bouldern ein wesentlich größeres Spektrum an Herausforderungen als andere Breitensportarten. Wo sich beispielsweise bei Fitnessstudiobesuchern eine gewisse Einseitigkeit einschleichen kann, trainierst du deinen Körper vielseitig, indem du einfach nur kletterst. Ein weiterer Vorteil: Durch die umfassende Belastung ist auch der Energiebedarf nicht zu verachten. Schätzungen zufolge werden während einer einstündigen aktiven Bouldereinheit im Schnitt 300 bis 500 Kilokalorien verbrannt. Ähnlich sieht es beim Abnehmklassiker Joggen aus – mit dem Unterschied, dass Bouldersessions oft zwei Stunden oder drei Stunden lang werden, während die meisten Jogger ihr Training nach einer halben Stunde bis Stunde beenden. Legst du großen Wert auf Kardiotraining, ist das Bouldern zugegebenermaßen nicht die beste Disziplin. Der Charakter der Belastung ist eher maximalkräftig, der Anspruch an das Herz-Kreislaufsystem hält sich also in Grenzen. Abhilfe gibt es aber auf andere Art. In diesem Punkt bist du mit klassischem Ausdauersport wie Radfahren oder Laufen besser bedient.

Du tust etwas für deinen Kopf

Bouldern macht dich körperlich fit. Dicke Muskeln allein bringen aber niemanden die Wand nach oben. Spätestens wenn man die einfachsten Boulder hinter sich lässt, kommt es nicht mehr nur darauf an, sich festhalten und hochziehen zu können. Stattdessen musst du dir Gedanken um deine Position an der Wand machen und darüber, wie du Griffe und Tritte sinnvoll für dich nutzen kannst. Boulder sind Bewegungsrätsel und das Tüfteln an der richtigen Lösung ein zentraler Bestandteil des Sports. Nebenbei im Kopf deine Einkaufsliste zusammenzustellen, wie du es beim Joggen vielleicht könntest, ist hier nicht möglich. Dieser Sport erfordert Aufmerksamkeit an und abseits der Wand. Bouldern ist auch Denksport.

Irritiert dich die Aussicht darauf, deine grauen Zellen nach einem langen Tag noch in der Kletterhalle herauszufordern, lass dich überraschen: Für viele ist das Bouldern genau die Art von Beschäftigung, die sie dann brauchen. Beim Austüfteln der richtigen Lösung, rückt der Alltag in den Hintergrund. Für ein paar Stunden sind alltägliche Probleme uninteressant. Wichtig ist für den Moment eher, wie du am besten zum nächsten Griff kommst und anschließend die Füße in die richtige Position bringst, um den darauffolgenden Zug einzuleiten.

Liefert das Bouldern dann noch ein paar Erfolgserlebnisse, ist der Tag gerettet. Die gibt es sogar, wenn du es mal nicht bis zum letzten Griff einer Route schaffst. Einen Heureka-Moment zu haben, in dem dir einfällt, wie ein scheinbar schwerer Zug doch ganz einfach lösbar ist, kann mindestens genauso befriedigend sein. 

Bouldern ist der vielleicht sozialste Sport der Welt

Wenn doch einmal gar nichts klappen will, zeigt das Bouldern oft eine weitere seiner vielen großartigen Seiten: In diesem Sport bist du kein Einzelkämpfer, wenn du es nicht sein willst. Schaffst du einen Boulder nicht, kannst du dir die Lösung von anderen abschauen oder gemeinsam mit ihnen tüfteln. Arbeitest du am gleichen Kletterproblem wie jemand anders, kommt man beinahe automatisch ins Gespräch und tauscht sich über Lösungsansätze aus. Das macht es einfach, Anschluss zu finden, selbst wenn du allein in der Halle unterwegs bist.

Dass Kletterer gemeinsam auf der Matte zu sitzen und über der Lösung eines Boulderproblems zu brüten, ist ein häufiges Bild. Bouldern ist ein Denksport, der stark von der Community lebt.

Bouldern lebt stärker als andere Sportarten vom Miteinander. Zwar gibt es auch Wettkämpfe, in denen Boulderer gegeneinander antreten. Genauso ist es normal, dass Freunde darum wetteifern, ein Problem als erstes zu knacken. Trotzdem tritt man an der Wand letztlich immer nur gegen den Boulder und gegen sich selbst an. Ob ich einen schweren Kletterzug schaffe, hängt davon ab, was ich selbst kann und was ich mir zutraue. Deshalb ist die Stimmung normalerweise kollegial. Das setzt sich bis in den Profisport fort: Selbst in Weltcups ist es üblich, dass sich Wettkämpfer vor dem Start einer Runde die Boulder gemeinsam besichtigen und darüber diskutieren, wie sie sie lösen würden. Dass sich direkte Konkurrenten während eines Wettkampfs gegenseitig Tipps geben, ist woanders völlig undenkbar.

Bouldern verschafft dir Selbstvertrauen

Dass man beim Bouldern gegen sich selbst antritt, ist übrigens absolut wörtlich zu nehmen. Oft geht es bei der Lösung eines Problems nicht darum, mehr physische Kraft zu investieren, sondern sich zu überwinden. Beim Bouldern wirst du immer wieder auf Routen stoßen, die dich mental mehr herausfordern als körperlich. Ob du es dann schaffst, hängt davon ab, ob es dir gelingt, trotz der Unsicherheit weiterzumachen und deine bisherigen Grenzen zu verschieben. Dieses Verschieben der Grenzen ist etwas, das jeder Kletterer erlebt, auch wenn die Grenzen eine sehr individuelle Sache sind und jeder ein eigenes Tempo hat.

Hat man sich einmal überwunden, wird aus Unsicherheit Stolz. Und die Gewissheit, dass man doch etwas mehr kann, als man sich anfangs selbst zugetraut hätte. Dadurch kann das Bouldern helfen, das Selbstbewusstsein zu stärken und die Selbsteinschätzung zu verbessern. Gleichzeitig ist es eine tolle Gelegenheit, Strategien zu entwickeln, wie man mit schwierigen Situationen umgeht – alles Dinge, die auch jenseits der Kletterhalle großen persönlichen Wert haben können. Deshalb ist es keine Überraschung, dass Klettern und Bouldern mittlerweile als Therapieansatz in der Psychotherapie eingesetzt werden.

Sport, der sich nicht anfühlt wie Sport

Körperliche Gesundheit, Stressabbau, Spaß mit Freunden, neue Leute treffen und eine Möglichkeit, sich selbst besser kennen und schätzen zu lernen – Bouldern bietet für einen Sport eine ganze Menge. Aber das Beste dabei ist, dass es ein Sport ist, der sich oft einfach nicht nach Sport anfühlt. Übst du andere Sportarten nur aus, um fit zu werden, steht hier der Spaß an der Bewegung und am Tüfteln im Vordergrund. Und es wird nicht langweilig. Weil in den meisten Kletterhallen wöchentlich umgeschraubt wird, gibt es ständig völlig neue Herausforderungen, an denen du dich probieren kannst. Dass du dir dabei etwas Gutes tust, ist ein Bonus. Deshalb haben viele Leute keine Probleme sich zum Bouldern zu motivieren, die nie länger als ein paar Wochen am Stück ins Fitnessstudio gehen würden. Selbst absolute Sportmuffel verlassen nach ihrem ersten Besuch die Halle oft mit dem Gefühl, bald wiederkommen zu wollen. 

Also: Warum noch lange warten und überlegen? Es ist allerhöchste Zeit, dass auch du dem Bouldern eine Chance gibst.

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