Wie kleine Tritte dich zu einem besseren, fitteren Kletterer machen

So unscheinbar sie an der Wand aussehen, die Qualität der Tritte hat gewaltigen Einfluss darauf, wie schwer eine Route ist. Manchmal kann man zusehen, wie Kletterer ins Schwitzen geraten, wenn sie die Stelle eines Boulders erreichen, an der sie auf ein gefühltes Nichts treten müssen. Selbst mit guten Griffen in der Hand wird das Klettern dann zur Nervensache. Begeisterung löst das nur bedingt aus. Willst du als Kletterer gut werden, solltest du dich trotzdem über jede Gelegenheit freuen, bei der dich kleine Tritte herausfordern. Denn hier kannst du Skills lernen, die dein Klettern über die gesamte Bandbreite verbessern.

Eine Gleichung mit mehreren Variablen

Kleintrittige Boulder sind eine Herausforderung – völlig gleich, ob sie riesige Henkel oder winzige Leisten als Griffe bieten. Trotzdem tun sich manche schwer und andere leicht damit, auch dann noch sicher zu stehen, wenn sie keinen Parkplatz unter den Füßen haben. Wie gut das funktioniert, hängt zum einen von deinen Schuhen ab. Kletterschuhe mit straffem Sitz helfen dir, die Kraft deiner Füße auf den Tritt zu bringen. Die spezielle Gummierung sorgt für eine gute Verzahnung der Sohle mit der Trittoberfläche und somit für besseren Halt. Zum anderen macht aber auch deine Technik, die Art, wie du mit kleinen Tritten umgehst, einen gewaltigen Unterschied.

Kürzlich habe ich das bei einem Jedermanns-Wettkampf in Fulda beobachten können. Dort hatten die Routenbauer ein Händchen dafür, Boulder zu setzen, in denen man mit Kraft allein nichts erreichen konnte. In mehreren Problemen musste man Tritte aus ungünstigen Positionen heraus belasten, ohne sich dabei auf die Finger verlassen zu können. Dementsprechend häufig kam es vor, dass Kletternde von einem abrutschenden Fuß aus der Wand befördert wurden. Selbst bei Bouldern mit großen Tritten war das der Fall – ohne dass die Tritte an sich sonderlich rutschig gewesen wären. Die Betroffenen sind vielmehr daran gescheitert, sie richtig zu nutzen.

Bewusstes Belasten, statt einfach anzutreten

Zu treten und zu treten ist nicht immer das Gleiche. Sofern sie nicht glatt sind, macht es bei großen Tritten wenig Unterschied, wie du sie erwischst. Bei kleinen Tritten hingegen gehen die Füße manchmal sogar ab, wenn es so wirkt, als seien sie gut gesetzt. Es genügt also nicht immer, typische Anfängerfehler wie das Anstellen mit dem Mittelfuß zu vermeiden, um sicheren Halt zu finden. Die Position des Sprunggelenks und auch die Art, wie Druck aufgebaut wird, hat großen Einfluss auf das Ergebnis. Die Füße bewusst und kontrolliert zu belasten, führt bei kleinen Tritten zum Erfolg.

Dieses bewusste Belasten beginnt bereits damit, sich Zeit beim Anstellen der Zehen zu nehmen und den Tritt an der bestmöglichen Stelle anzutreten. Je kleiner die Trittfläche, desto wichtiger ist es, präzise zu arbeiten. Im besten Fall schaust du dir die Blicke bereits vor dem Start genauer an. Das gibt dir eine Vorstellung davon, wie sie sich nutzen lassen könnten. Schon das ist eine wertvolle Lektion für viele Einsteiger. Denn viele starten anfangs oft noch komplett ohne Idee in neue Boulder und lassen sich überraschen. Sobald die Probleme etwas kniffliger werden, führt das aber immer seltener zum Top. Deshalb sollte man sich frühzeitig angewöhnen, Boulder vor dem Einstieg genauer anzusehen.

Hängst du dann an der Wand, ist Kontrolle das A und O. Um deine Füße sicher ins Ziel zu bringen, braucht es Präzision. Die wiederum hast du nur, wenn du deine Füße ruhig setzen kannst. Die Grundlage dafür ist, den Fuß, der weitertreten soll, zuerst einmal zu entlasten. Dazu bringst du dein Körpergewicht auf den anderen Fuß, indem du die Hüfte verlagerst. Gute Kletterer erkennt man daran, dass sie ihre Hüfte vor jeder Bewegung in eine günstigere Position bringen. Mal mit großen Bewegungen, mal nur mit einer subtilen Rotation in der Körperachse. Während große Tritte belastetes Antreten eher verzeihen, rutscht dein Fuß auf kleinen Tritten unter Umständen direkt ab, wenn es dir an Präzision fehlt. Kleine Tritte geben dir folglich direktes Feedback, ob die du optimal bewegst. Hörst du auf dieses Feedback, lernst du schneller, welche Bewegungen wann nötig sind.

So kommt die Kraft dorthin, wo sie hin soll

Den Fuß präzise auf den Tritt zu bekommen, ist aber nur der erste Teil der Geschichte. Im nächsten geht es darum, den Fuß so zu positionieren, dass sich sinnvoll Kraft aufbauen lässt. Hier musst du unter anderem die Form des Trittes berücksichtigen. Bei einem runden, flachen Tritt hilft es beispielsweise, den Fuß frontal anzustellen und die Ferse abzusenken, um auf Reibung zu treten. Handelt es sich bei dem Tritt hingegen um eine kleine Leiste, stehst du sicherer, wenn du das Sprunggelenk neutral hältst und mit dem Innen- oder Außenrist antrittst. In den meisten Fällen beginnst du erst damit, den Tritt wirklich zu belasten, wenn auch das passt. Dieses Spiel mit der Position des Sprunggelenks und der Zehen zu beherrschen, bringt dir natürlich nicht nur auf kleinen Tritten etwas. Versuchst du dich an anspruchsvollerer Reibungskletterei, zum Beispiel auf abschüssigen Volumen, werden die gleichen Skills wichtig.

Fußwechsel gehören zu den Skills, die selbst auf größeren Tritten noch Präzision erfordern. Hast du es auf kleinen Tritten gelernt, wirst du damit keine Probleme mehr haben.

Und nicht nur diese. Wie bei der Reibungskletterei ist es auch bei kleinen Tritten wichtig, sie in der optimalen Richtung und mit Gefühl zu belasten – etwas das auf großen Tritten so selten nötig ist. Ist dein Fuß in Position kann es passieren, dass du abrutscht, wenn du versuchst, dich einfach auf ihn zu stellen. Auf kleinen und schlechten Tritten muss deine Aufmerksamkeit immer auch auf den Fuß gerichtet bleiben. Während eines Zuges verändert sich deine Körperposition und damit auch die Art, wie du die Tritte belastest. Das kann es nötig machen, die Position und den Druck deines Fußes anzupassen. So unangenehm das von schlechten Tritten vermittelte unsichere Gefühl sein mag, es bringt dir bei, dich nicht nur auf den nächsten Griff zu fokussieren. Das Antreten auf großen Tritten läuft im Gegensatz dazu oft nach dem Motto „fire and forget“

Kontrolle über den Körper bringt Kontrolle über den Tritt

Tritte im Mono-Spax-Format sind schon an der gerade Wand eine Herausforderung. Soll man sie im Überhang belasten, geht ohne starken Rumpf gar nichts. Hier ist das Herstellerlogo nach oben gedreht und erzeugt eine glatte Fläche. Es lohnt sich, so etwas schon vor dem Klettern zu wissen, weil es die Art verändert, wie man den Tritt belasten muss.

Das alles mag so klingen, als ob man in Routen mit kleinen Tritten am besten im Schneckentempo unterwegs sein sollte. Während langsame Bewegungen natürlich die Kontrolle erleichtern, ist das weder zwingend nötig noch jederzeit möglich. Vielmehr geht es darum, sich bewusst zu bewegen. Es ist durchaus in Ordnung, kleine Tritte zügig, sogar schwungvoll zu belasten, solange die Fußposition und die Belastungsrichtung stimmen. Ein Schlüsselfaktor dafür ist die Körperspannung. Nur wenn der Körper während solcher Bewegungen eine gewisse Grundspannung aufweist, ist sichergestellt, dass die Kraft dort ankommt, wo sie hin soll.

Geht es in steileres Gelände, nimmt die Bedeutung der Körperspannung noch zu. Müssen kleinste Tritte im Überhang belastet werden, ist das nur noch möglich, wenn du ausreichend Druck auf die Füße kannst. Eine einbrechende Rumpfmuskulatur ist dann das Todesurteil für den Halt am Tritt. Das Klettern wird dann automatisch zum Core-Workout und ist das beste denkbare Training, um kletterspezifische Körperspannung aufzubauen. Dass man dafür die Wand nicht verlassen muss, ist für viele ein echter Bonus dieser Art des Trainings.

Körperspannung ist allerdings ein zweischneidiges Schwert. Wo es im Dach kaum genug sein kann, ist in anderen Situationen weniger mehr. Musst du beispielsweise an der Platte dynamisch aufstehen, ohne dich festhalten zu können, hilft dir deine Körperspannung zwar, die Bewegung zu kontrollieren. Bist du zu angespannt, kann dir das aber auch den Schwung nehmen. Genau das richtige Mittelmaß zu finden, ist die große Kunst.

Eine Übung – viele Vorteile

Diese Kombination aus kontrollierten Bewegungen, richtigen Fußpositionen, dem Wechselspiel aus Dynamik und richtig dosierter Körperspannung ist, was das Klettern von Routen mit kleinen Tritten so wertvoll macht. Denn diese Fähigkeiten sind längst nicht nur dann gefragt, wenn es kaum noch etwas zum Stehen gibt. Sie erlauben es dir generell, mehr aus Tritten herauszuholen, helfen dir aber auch in dynamischen Bewegungen, bei denen die Tritte nicht das Problem sind. Kleintrittige Kletterei ist damit eine hervorragende Technikschule. Aber nicht nur das: Geht es in den Überhang, wird daraus auch eine Frage körperlicher Fitness und das beste Körperspannungstraining, das man sich wünschen kann. Natürlich könnte man vieles auch an größeren Tritten lernen, aber nur kleine Tritte zwingen uns wirklich dazu, es richtig zu machen.

Was heißt eigentlich klein?

Was „klein“ bedeutet ist relativ und hängt von deinem Erfahrungsstand und – wie eingangs schon erwähnt – von deinem Schuhwerk ab. Als Einsteiger wirst du sehr wahrscheinlich weder die Schuhe noch die Kraft in den Füßen haben, um die gleichen winzigen Tritte zu stehen, die jemanden mit mehrjähriger Klettererfahrung herausfordern. Darum geht es nicht. Wichtig für den Trainingseffekt ist, dass die Größe der Tritte dir das Leben schwer macht, du aber trotzdem eine realistische Chance hast, die Route zu schaffen. Wie so oft gibst du dich dann nicht damit zufrieden, sie einmal geschafft zu haben. Stattdessen arbeitest du weiter an den Bewegungen, bis das anfängliche Gefühl von Unsicherheit sich verflüchtigt hat und du die Route entspannt klettern kannst. Bleibst du dran, baust in kurzer Zeit die Skills und die Kraft auf, um immer anspruchsvollere Probleme in Angriff nehmen zu können. Wenn dir also das nächste Mal ein Boulder mit winzigen Tritten begegnet, versuche darin nicht nur die gruselige Erfahrung zu sehen, sondern vor allem das Potenzial, dein Klettern zu verbessern.

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