Schulter-Stabi fürs Bouldern: Mit diesen Übungen bekommst du deine Schultern fit

Das Schultergelenk ist das beweglichste Gelenk unseres Körpers. Der hohe Bewegungsradius ist praktisch, wird aber mit geringerer Stabilität erkauft. Anders als beispielsweise der Oberschenkelknochen in der Hüfte, der in einer knöchernen Pfanne festen Halt findet, fixieren Knorpel, Sehnen und Muskeln den Oberarmkopf in seiner Position. Das macht das Gelenk anfälliger. Gegenhalten kannst du, indem du die Muskulatur der Schulter stärkst. Und das solltest du auch tun, denn gerade beim Bouldern muss die Schulter viel aushalten können. Zuletzt tauchte in den Youtube-Kommentaren häufiger die Frage auf, wie ich meine Schultern fit halte. Deshalb stelle ich dir heute meine Übungsauswahl vor und erkläre, nach welcher einfachen Regel du dir selbst ein Programm zusammenstellen kannst.

Warum Schultertraining für dich wichtig ist

War es vor ein paar Jahren noch extrem wichtig, starke Finger zu haben, rückt Athletik beim Klettern immer mehr in den Vordergrund. Nicht dass die Fingerkraft keine Rolle mehr spielt. Kleinste Leisten wegprügeln zu können, reicht aber nicht mehr aus, um im dynamischen, physischen Stil des modernen Boulderns glänzen zu können. Kräftigen Schultern kommt dabei eine wichtige Rolle zu. Sind sie als Bindeglied zwischen Oberkörper und Arm zu schwach für einen Zug, helfen auch die stärksten Finger nichts mehr. Stabilitätstraining für die Schulter ist also einerseits Verletzungsprävention, andererseits kann es helfen, deine Leistung beim Bouldern zu erhöhen.

Vielleicht überrascht es dich, aber als wie stark sich deine Schultern beim Bouldern entpuppen, hängt kaum davon ab, wie gut die Muskulatur entwickelt ist, die über dem Gelenk liegt. Breite Schultern sind also kein sicheres Zeichen eines belastbaren Gelenks. Ein Großteil der stabilisierenden Muskeln liegt tiefer, vor allem im Bereich des Schulterblatts. Dabei handelt es sich um die sogenannte Rotatorenmanschette. Diese aufzutrainieren ist also ein wichtiger Teil des Stabilisationstrainings.

Einseitigkeit ist Gift für die Schulter

Beim Klettern sind die Muskeln um die Schulter herum idealerweise immer aktiv, um das Gelenk in Position zu halten. Diese Belastung stärkt die beteiligten Muskeln. Leider genügt das aber nicht, um deine Schultern gesund zu halten. Im Gegenteil: Auf Dauer kann es zu eigenen Problemen führen.

Ursache ist das Bewegungsprofil beim Klettern. An der Wand greifst du meistens auf Zugbewegungen von oben nach unten zurück. Das deckt aber nur einen kleinen Teil des Bewegungsrepertoires der Schulter ab. Bleibt das Bouldern die einzige Belastung, stärkst du deine Schulter nur im fürs Klettern typischen Winkel. Muskeln, die an anderen Bewegungen beteiligt sind, werden hingegen kaum gefordert. Ohne Ausgleich kann das mit der Zeit zu einem Ungleichgewicht führen, welches der Schulter schadet. Die Balance zu wahren und die Schulter vielseitig zu belasten, gehört deshalb zum A und O der Schultergesundheit. Statt also nur von oben nach unten zu ziehen, musst du weitere Bewegungen trainieren, an denen die Schulter beteiligt ist. Dazu gehört das Heben und die Innen- und Außenrotation des Arms, das Ziehen von vorn zur Brust oder von unten nach oben und natürlich auch das Wegschieben vom Körper.

Bei der Suche nach den passenden Übungen für dein Stabiprogramm musst du also im Grunde nur auf zwei Dinge achten:

Die Übungen müssen zum einen das Bewegungsprofil der Schulter vervollständigen, also die Schulter auf Arten belasten, die beim Klettern selten oder gar nicht vorkommen. Und zum anderen müssen sie so fordernd sein, dass der Anspruch dem des Kletterns ähnelt. Deshalb sind die bei vielen Kletterern beliebten Übungen mit Therabändern kaum zum Ausgleich geeignet. Die Bänder bieten normalerweise zu wenig Widerstand, um die Muskulatur aufzutrainieren und sind deshalb eher zu Reha-Zwecken und fürs Warm-up gut. Wenn wir beim Bouldern im härtesten Fall mit dem ganzen Körpergewicht an den Schultern hängen, genügt es nicht, die Gegenbewegung mit Spielzeuggewichten zu trainieren. Andererseits dürfen die Übungen nicht so schwer sein, dass besagte Reha nach dem Training nötig wird. Oder anders gesagt: Fordere dich heraus, aber fahr deinen Ehrgeiz auf ein gesundes Niveau zurück, um dich nicht zu verletzen.

Ich persönlich halte meine Schultern aktuell mit diesen vier Übungen in Form:

Schulterübung #1: Butterfly an den Ringen

Butterfly ist eine klassische Übung für die Brust-, Schulter- und Armmuskulatur. Machst du sie an den Ringen, bringt das eine Portion Instabilität ins Spiel, was ideal für das Stabitraining ist. Als Ersatz für Ringe kann auch ein Schlingentrainer dienen.

Die Übung an sich ist simpel. Du gehst in den Ringen in eine Liegestützposition und lässt deine gestreckten Arme seitlich auseinandergleiten, bis die Hände etwa auf Schulterhöhe sind. Danach drückst du dich nach oben, indem du die Arme wieder vor dem Körper zusammenführst. Weil das an das Schlagen mit Flügeln erinnert, wird die Übung auch „fliegende Bewegung“ genannt.

Neben der Kraft in Armen, Brust und Schultern kommt es bei Butterfly auch auf den Rumpf an. Der Körper muss die ganze Zeit unter Spannung bleiben, um nicht einzubrechen. Win-Win.

Wichtig ist, dass du die Bewegung über den gesamten Bewegungsradius kontrollieren kannst – nicht nur in den Armen, sondern auch im Rumpf. Achte deshalb die gesamte Zeit darauf, deinen Bauch unter Spannung zu halten, um nicht im unteren Rücken einzubrechen. Das schont deinen Rücken und verbessert gleichzeitig deine Körperspannung. Die Schwierigkeit kannst du anpassen, indem du mit den Füßen weiter nach vorn oder hinten läufst. Je näher deine Hände in der Ausgangsposition am Boden sind, desto schwerer ist es.

2-3 Sätze mit 6 bis 12 Wiederholungen

Schulterübung #2: TYI

TYI ist das Gegenstück zum Butterfly und trainiert deine Körperrückseite. Die Übung ist besonders nützlich, um die bereits erwähnte Rotatorenmanschette zu kräftigen. Für sie benötigst du ebenfalls einen Schlingentrainer oder Ringe.

Für TYI hängst du dich rücklings in die Ringe und gehst ein oder zwei Schritte nach vorn. Damit befindest du dich in der Ausgangsposition. Aus dieser ziehst du dich mit gestreckten Armen nach vorn, bis sich deine Hände etwa auf einer Höhe mit dem restlichen Körper befinden. Das ist die Endposition. Diese nimmst du abwechselnd in drei Varianten ein. In der ersten ziehst du die Arme auf Schulterhöhe zur Seite, sodass dein Körper ein T formt. In der zweiten streckst du die Arme seitlich nach oben und gehst so ins Y. Die letzte Position ist das I. Hier hast du die Arme über dem Kopf ausgestreckt. Aus allen Endpositionen lässt du dich langsam und kontrolliert ab.

Das Bild zeigt die Ausgangsposition (1) und die drei Endpositionen der TYI-Übung (2-4).

TYI beansprucht eine Reihe kleinerer Muskeln, für deren Training kein allzu hoher Widerstand nötig ist. Ist die Belastung zu hoch, kompensieren besonders ehrgeizige Zeitgenossen ihre fehlende Kraft mit Ausweichbewegungen. Keine gute Idee. Einerseits strapazieren sie so ihren Nacken und Rücken, andererseits verpufft der eigentlich erwünschte Trainingseffekt. Achte deshalb während der gesamten Bewegung darauf, deinen Körper steif wie ein Brett zu machen. Wandert deine Hüfte oder dein Kopf beim Ziehen nach vorn, mach lieber einen halben Schritt nach hinten und dir so das Leben leichter. Fällt dir die Übung hingegen leicht, kannst du einen Schritt nach vorn gehen und so den Anspruch erhöhen.

2-3 Sätze mit 6 bis 12 Wiederholungen

Schulterübung #3: Handstandvarianten

Weil du beim Klettern ständig von oben nach unten ziehen musst, macht es Sinn, im ergänzenden Training genau das Gegenteil zu tun – also von unten nach oben zu drücken. Das ist entweder mit Gewichten möglich und nennt sich dann Schulterdrücken. Oder du verwendest deinen eigenen Körper als Gewicht und stellst dich auf deine Hände. Voilà: Du machst einen Handstand.

Auch wenn der freie Handstand natürlich die beste Form des Trainings wäre, musst du diesen für den Stabiaufbau nicht zwingend beherrschen. Dich mit den Füßen an einer Wand abzustützen, um nicht umzufallen, ist also okay.

In der einfachsten Variante geht es erst einmal nur darum, für längere Zeit zu stehen. Fällt dir das schwer, kannst du mehrmals hintereinander in den Handstand gehen und dein Training so beginnen. Etwas anspruchsvoller wird es, wenn du versuchst, dich mit den Füßen von der Wand abzustoßen und frei zu stehen.

Bist du in der Lage, etwa 20 bis 30 Sekunden am Stück im Handstand zu bleiben – frei oder nicht – wird es Zeit, erneut am Schwierigkeitslevel zu schrauben. Der nächste Schritt ist dann eine Übung, die man als Handstand-Schulterliegestütz bezeichnen könnte. Im Englischen ist weniger sperrig von Handstand-Shrugs die Rede. Dabei lässt du dich im Handstand stehend so weit nach unten ab, wie es geht, ohne die Arme zu beugen und drückst dich anschließend wieder weitestmöglich nach oben. Die Bewegung kommt dabei komplett aus den Schultern.

Ist auch das kein Problem mehr, kannst du mit Handstandliegestütze noch einen draufsetzen. Dann steht auch die Beugung der Arme auf dem Plan. Du lässt dich im Handstand stehend ab, bis dein Kopf fast den Boden berührt und drückst dich wieder nach oben, so weit es dir möglich ist. Das Herausdrücken ist erfahrungsgemäß um einiges schwieriger als das Ablassen. Als Zwischenschritt kannst du dich deshalb ablassen, die Füße auf den Boden bringen, wieder in den Handstand gehen und dich erneut ablassen.

Auch beim Handstand machst du 2 bis 3 Sätze. Handstandshrugs und -liegestütze sind allerdings so anspruchsvoll, dass bereits 3 Wiederholungen für den Start ausreichen. Schaffst du mehr, umso besser.

Schulterübung #4: Schulterblattklimmzüge

Die letzte Übung in dieser Auswahl konzentriert sich auf die Kontrolle der Schulterblätter. Die Rede ist von Schulterblattklimmzügen. Und auch wenn du deinen Körper hier nach oben ziehst, wie es beim Klettern häufig passiert, ist es eine wertvolle Ergänzung. Schulterblattklimmzüge verschaffen dir die Kraft, deine Schulter während des Kletterns immer aktiviert zu halten. Das schützt dich vor Verletzungen durch Überlastung und falsche Belastung.

Der kleine Bewegungsradius genügt. Die komplette Bewegung kommt aus den Schultern, die Arme bleiben möglichst gestreckt.

Schulterblattklimmzüge haben eigentlich wenig mit normalen Klimmzügen gemeinsam. Während bei diesen die Schulter immer aktiviert bleiben sollte – du dich also nicht komplett aushängst – ist genau das Bestandteil der Schulterblattklimmzüge. Im Gegenzug musst du dich nicht ganz nach oben ziehen. Genau genommen werden die Arme überhaupt nicht angezogen. Stattdessen hängst du dich mit gestreckten Armen an die Stange und ziehst dich nur so weit nach oben, wie es dir aus den Schultern möglich ist, ohne die Arme zu beugen. Anschließend lässt du dich ab, bis die Schulter komplett gestreckt ist.

Wenn du bereits mehrere Klimmzüge am Stück herauspumpen kannst, dürfte dich diese Übung nicht mehr übermäßig fordern. Dann kannst du einarmige Schulterblattklimmzüge ins Training einbauen. Aber Vorsicht: Das ist deutlich schwerer, weshalb ich dir empfehle, erst einmal mit Entlastung zu arbeiten. Eine einfache Möglichkeit ist, die eigentlich freie Hand trotzdem an die Stange zu nehmen und so die trainierende Seite zu unterstützten. Achte in jedem Fall darauf, die gesamte Bewegung kontrolliert auszuführen. Dich dynamisch in die gestreckte Schulter fallen zu lassen, ist keine gute Idee. Weder beim Klettern noch bei der Stabiarbeit.

2-3 Sätze mit 6-12 Wiederholungen

Was du beim Training beachten musst

Damit das Training wirklich einen Effekt hat, musst du es regelmäßig durchführen. Ich habe die vorgestellten Übungen über mehrere Monate wenigstens einmal in der Woche gemacht. Theoretisch ist es möglich, das Programm am Ende eines Klettertages durchzuführen. Allerdings sind deine Schultern dann schon müde und anfälliger. Ich habe mein Training deshalb immer an kletterfreien Tag durchgezogen. Wichtig ist auch, dass du während des Trainings keine Schmerzen hast, die über den normalen Ermüdungsschmerz der Muskulatur hinausgehen. Gerade bei Handständen und einarmigen Schulterblattklimmzügen ist die Belastung so hoch, dass eine angeschlagene Schulter Probleme machen kann. Solltest du dir unsicher sein, ist es besser, abzubrechen.

Solltest du noch Fragen zur Übungsausführung haben, schau dir das oben verlinkte Video an. In diesem zeige ich die Übungen und erkläre noch einmal, worauf du achten musst. Denkst du, dass die Übungsauswahl für dich nicht das Richtige ist und suchst nach Anregungen für alternative Übungen, empfehle ich dir mein Buch Bouldertraining. Darin stelle ich über 80 Übungen vor, mit denen du deine Technik, Physis und Psyche stärken kannst. Natürlich spielt auch der Aufbau der Schultern eine Rolle. Das Buch kannst du für 15,99 Euro bei Amazon oder direkt im GkB-Store kaufen:

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