Die Finger am Griffbrett zu trainieren, kann auch für Klettereinsteiger sinnvoll sein – auch wenn häufig empfohlen wird, wenigstens ein bis zwei Jahre Klettererfahrung zu sammeln, bevor man das Hangboarden ins Training einbaut. Trotzdem kann ein früher Start im Einzelfall Vorteile bringen, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Das war bereits Thema eines früheren Artikels. Nun soll es darum gehen, wie der Einstieg ins Hangboarden für weniger erfahrene Kletterer konkret aussehen kann.
Selbsttest vor Trainingsbeginn: Wo stehe ich?
Bevor das Training beginnen kann, ist erst einmal eine Bestandsaufnahme nötig. Vor deiner ersten Session am Board musst du herausfinden, welche Griffgröße für deinen Leistungsstand passend ist. Viele der heute angebotenen Hangboards bieten eine ganze Reihe von verschiedenen Grifftypen. Sie reichen üblicherweise von Leisten über Sloper bis zu Taschen für mehrere oder sogar nur einen Finger. Sloper und Fingerlöcher sind für den Einstieg ins Hangboarden erst einmal uninteressant. Gleiches gilt für Leisten, die nur einmal am Board vertreten sind. Zwar kann man auch einarmig trainieren, dabei handelt es sich aber um eine fortgeschrittene Trainingsmethode.
Neben dem Zugang zu einem Fingerboard brauchst du außerdem einen Timer, mit dem du sowohl beim Test als auch beim tatsächlichen Training deine Hänge- und Pausezeiten misst. Perfekt dafür sind Intervalltimer, die man auch als kostenlose App für Smartphones herunterladen kann. Vor dem Test musst du dich gut aufwärmen, um deine Finger und Schultern auf Betriebstemperatur zu bringen. Starte den Test (und später das Training) nicht unaufgewärmt. Andernfalls hast ein höheres Verletzungsrisiko und bist nicht in der Lage, deine volle Leistung abzurufen.
Für den Test stellst du deinen Timer auf 15 Sekunden und suchst du dir zum Start das größte Leistenpaar. Nun aktivierst du den Timer, hängst dich mit beiden Händen an das Board und versuchst, über die 15 Sekunden zu hängen. Hast du am Ende der Zeit das Gefühl, ohne große Anstrengung weiterhin für einige Sekunden hängen bleiben zu können, testest du dich nach einer Pause von drei Minuten an der nächstkleineren Leiste. Fühlst du dich auch dort nach 15 Sekunden noch so, als könntest du locker hängen bleiben, wiederholt sich das Spiel nach einer weiteren Pause.
Wichtig ist, dass du in jedem Versuch über die gesamte Zeit in der Lage bist, eine saubere Form zu halten. Wie diese aussieht, habe ich in diesem Video ab Minute 1:35 erklärt:
Ziel ist es, die Leistengröße zu finden, bei der du dich am Ende der 15 Sekunden deutlich anstrengen musst, um hängen zu bleiben. Würdest du den notwendigen Aufwand auf einer Skala von 0 bis 10 einordnen (0 für keine Anstrengung, 10 für unmöglich), sollte er im Bereich zwischen 6 und 7 liegen. Das Hängen ist also anstrengend, aber nicht so, dass du wirklich beißen musst, um es zu schaffen. Bist du an diesem Punkt angelangt, ist der Test beendet. Gleiches gilt, wenn du die 15 Sekunden nicht schaffst oder die Form nicht halten kannst. Oder wenn du das Gefühl hast, die nächstkleinere Größe nicht mehr solide schaffen zu können.
Am Ende des Tests weißt du, an welcher Leiste du dein Training beginnen wirst: Hast du deinen letzten Durchgang erfolgreich absolviert, ist es die vorletzte Leiste, die du getestet hast. Bist du gescheitert, gehst du sogar zwei Größen zurück.
Wie sieht das Training konkret aus?
Für den Start ins Hangboarden sind Repeater eine geeignete Übung. Sie trainieren zum einen Kraft und Ermüdungsresistenz und können zum anderen an vergleichsweise großen Griffen absolviert werden, ohne zu leicht zu sein. Obwohl es unterschiedliche Protokolle gibt, ist die Idee immer gleich: Bei Repeatern folgen Belastungs- und Pausephasen im schnellen Wechsel aufeinander. Jeweils eine Belastungsphase und eine Pause sind eine Wiederholung. Ein Satz besteht aus einer festgelegten Anzahl von Wiederholungen. Ist ein Satz abgeschlossen, folgt eine längere Pause, bevor der nächste Satz beginnt. Das ist einfach, aber effektiv.
Für den Einstieg empfehle ich dir Repeater im 10/5-Modus. Dabei besteht eine Wiederholung aus zehn Sekunden Hängen und fünf Sekunden Pause. Nach vier Wiederholungen ist der Satz beendet. Nach dem Satz pausierst du für etwa drei Minuten, bevor du in den nächsten Satz startest.
Wichtig ist es dabei die richtige Intensität zu treffen – gerade als Einsteiger. Zum einen solltest du in der Lage sein, jede Wiederholung in jedem Satz zuende zu bringen, ohne dass die Form leidet. Andererseits muss die Übung anstrengend genug sein, um den Körper zur Anpassung zu zwingen, ohne ihm zu viel abzufordern. Am besten bewegst du dich hier im Bereich 5 bis 6 auf der bereits erwähnten Skala von 0-10. Im Vergleich zu erfahrenen Kletterern, die am Hangboard zum Teil an die Leistungsgrenze gehen, mag das eine geringe Belastung sein. Mit den Jahren haben diese Sportler aber einen belastbaren Sehnen-Band-Apparat aufgebaut, den Einsteiger normalerweise noch nicht haben. Steigere dich also lieber langsam, als mit Vollgas in die Verletzungspause zu rauschen.
Fingerkraft – ein langfristiges Projekt
Mit einem Mal boarden ist es natürlich nicht getan. Regelmäßigkeit ist der Schlüssel zum Aufbau starker Muskeln und Sehnen. Ein einzelner Trainingszyklus ist deshalb auf neun Wochen angelegt und besteht aus zwei Blöcken mit jeweils vier Wochen Training sowie einer einer Deload-Woche zwischen den Blöcken. In dieser Woche verzichtest du auf das Hangboarden und lässt es auch an der Wand ruhiger angehen, um deinem Körper Gelegenheit zur Regeneration zu geben. Für Einsteiger genügt es, einmal die Woche zu trainieren, wobei am Trainingstag anfangs schon zwei Sätze reichen.
Damit die Entwicklung irgendwann nicht stagniert, musst du den Anspruch während des Trainingszyklus steigern. Dazu hast du zwei Möglichkeiten. Entweder du wechselst nach den ersten vier Wochen auf eine kleinere Leiste oder du erhöhst das Trainingsvolumen. Entscheidest du dich für diese Variante, absolvierst du im zweiten Block drei Sätze pro Trainingstag, nachdem es in den ersten vier Wochen zwei Sätze pro Trainingstag waren
Am Ende eines Trainingszyklus kannst du nach einer einwöchigen Pause in den nächsten Zyklus starten. Dabei solltest du die Trainingsmethode ein wenig vom vorherigen Zyklus abwandeln. Auch hier kannst du mit kleineren oder anderen Griffen (zum Beispiel Slopern statt Leisten), anderen Hängezeiten oder größerem Volumen experimentieren.
Dinge, die beim Hangboarden gar nicht gehen
Neben den schon im ersten Artikel genannten Aspekten zum Kletterstil gibt es eine Reihe weiterer Punkte, die dich vom Hangboarden abhalten müssen. Klar muss sein, dass du nicht verletzt ans Board gehen darfst. Das betrifft offensichtlich die Finger, aber auch Schmerzen in den Schultern oder den Ellenbogen sind ein eindeutiges Zeichen, Abstand vom Boarden zu nehmen. Gleiches gilt für Erschöpfung. Am Ende einer Klettersession zu hangboarden ist also keine gute Idee. Das gilt aber auch, wenn du noch von einer Klettereinheit an einem anderen Tag spürbar müde bist. Im besten Fall gönnst du deinen Fingern zwischen einem harten Klettertag und einer Einheit am Griffbrett 72 Stunden Ruhe. Andernfalls wird die Erholungszeit für die Sehnen zu knapp, weil sie zur Regeneration mehr Zeit als deine Muskeln brauchen. Diese sind nach etwa 48 Stunden wieder fit. Fehlt dauerhaft die Zeit zur Erholung, steigt die Wahrscheinlichkeit, dir eine Überlastung oder Verletzung einzuhandeln.