Es gibt Boulder, die auf den ersten Blick unkletterbar wirken können. Flache Mulden, winzige Kanten oder sogar blanke Flächen machen nicht unbedingt den Eindruck, viel Halt für die Finger und Füße bieten zu können. Trotzdem braucht es dafür manchmal keine übermenschlichen Kräfte, sondern nur die richtige Technik. Körperpositionierung und der clevere Einsatz von Zug und Gegenzug helfen, aus wenig viel zu machen. Das ist die hohe Kunst der Kompressionskletterei.
Wo eine Mulde ist, ist auch ein Weg
In der Halle sind es typischerweise Boulder mit großen Volumen oder an Kanten, die in diese Kategorie fallen. Draußen kann man mit so etwas vor allem an bleauschen Sandstein Bekanntschaft machen – aber nicht nur dort. Weil Wind und Wetter viele Sandsteineier geglättet haben, ist Kompressionskletterei in den Wäldern südlich von Paris jedoch besonders häufig anzutreffen. Die Schwierigkeit variiert dabei sehr. Während zum Beispiel der Bas Cuvier-Klassiker La Gaule (7A) auch für Normalsterbliche im Bereich des Möglichen liegt, bleibt ein Kompressionsbrett wie The Big Island (8C) nur den wirklich starken Jungs und Mädels vorbehalten. Beide Boulder könnt ihr euch in den unten verlinkten Videos anschauen.
Kompressionskletterei in der Halle
Auch in der Halle findet man dank großer Volumen oder voluminöser GfK-Elemente immer wieder Vergleichbares. Die Wandneigung spielt fast keine Rolle, wobei der Anspruch sich im steilen Gelände natürlich erhöht. Typisch sind zwei mehr oder weniger parallel verlaufende Reihen von Griffen, die oft seitlich geöffnet sind. Sich einfach von unten an den Griff zu hängen, ist so unmöglich. Um sich trotzdem festhalten zu können, wird das für Kompressionsprobleme typische Verspannen nötig. Gemeint ist damit, dass man zwischen den Händen oder den Händen und den Füßen gegenläufigen Zug aufbaut. Heel- und Toe-Hooks werden dabei zum Standardwerkzeug.
Weil man sich so aktiv in die Griffe und Tritte zieht, können selbst strukturarme Flächen gut gehalten werden. Der richtige Zug in der richtigen Richtung macht aus einer glatten Kante eine echte Kelle. Ein gern angestellter Vergleich ist das Anheben eines Kühlschranks, indem man ihn an den Seiten umklammert. Auch hier braucht es keine Griffe, sofern man nur genug Kraft hat, ausreichend Druck auf die Flächen zu bringen, um nicht abzurutschen. Passend dazu ist im Englischen hin und wieder auch von „Fridge Huggern“ die Rede, wenn es um solche Boulder geht. Wörtlich übersetzt: Kühlschrank-Umarmer.
Wie die Prinzipien der Kompressionskletterei in der Praxis aussehen können, erkläre ich anhand eines Boulders aus der Nordwand Erfurt im folgenden Video: