Hast du das Bouldern gerade erst für dich entdeckt, solltest du deine Konzentration darauf legen, dich mit den Bewegungen vertraut zu machen. Die ersten Monate sind größtenteils dafür reserviert, eine saubere Technik zu erlernen und Routine darin zu entwickeln, sich in zwei oder drei Meter Höhe zu bewegen. Der Faktor Kraft spielt erst später eine zunehmende Rolle. Das heißt jedoch nicht, dass du komplett auf ergänzendes Training verzichten musst. Klimmzüge sind eine tolle Übung, um das Fundament für schnelle Fortschritte beim Bouldern zu legen.
In einem früheren Artikel habe ich bereits erklärt, warum Klimmzüge als Ergänzungstraining zum Klettern sinnvoll sind. Die Kurzform: In der Vertikalen werden viele Muskeln beansprucht, die auch beim Klimmziehen arbeiten müssen. Zudem sind die Bewegungen ähnlich, was es möglich macht, die Kraft vom einen auf das andere zu übertragen. Für all jene, die bisher nicht genug Strom für Klimmzüge hatten oder ihre Leistung weiter verbessern wollen, hier ein paar Tipps für das Training:
Klimmzug-Tipp #1: Starte mit der einfachsten dir möglichen Variante
Obwohl Klimmzüge zu den Grundübungen gehören, ist längst nicht jeder in der Lage, mehrere oder auch nur eine saubere Wiederholung auszuführen. Glücklicherweise lässt sich dieses Manko mit der richtigen Strategie und ein wenig Biss schnell beheben. Startest du quasi bei Null, solltest du mit unterstützten Klimmzügen beginnen. Dabei lässt du dir einen Teil des Gewichts von einem Partner abnehmen, stellst du Füße zur Entlastung auf einen Stuhl oder greifst zur Unterstützung auf ein Gummiband zurück.
Die Hilfe sollte dabei so hoch ausfallen, dass du zumindest fünf saubere Wiederholungen schaffst. Heißt: Du bist in der Lage, den vollen Bewegungsradius zu nutzen und dabei permanent die Kontrolle über die Bewegung zu behalten. Am Ende des Klimmzugs sollte sich dein Gesicht auf Höhe der Stange befinden, am Ausgangspunkt die Arme kaum gebeugt sein. Die Schultern bleiben nach unten gezogen und sollten auch beim Ablassen nicht Richtung der Ohren wandern. Um das Gelenk zu schützen, bleibt die Spannung im Schulterbereich während des gesamten Satzes aufrechterhalten. Sich komplett auszuhängen, ist deshalb weder nötig noch empfehlenswert.
Klimmzug-Tipp #2: Erhöhe den Anspruch, sobald du eine Handvoll Klimmzüge schaffst
Bei Übungen, die uns vor eine große Herausforderung stellen, machen sich schon nach kurzer Zeit Fortschritte bemerkbar. Trainierst du zwei bis drei Mal in der Woche Klimmzüge, wird das auch bei dir der Fall sein. Soll es dann weiter zügig vorangehen, musst du den Anspruch entsprechend erhöhen. Eine erste Progressionsstufe wäre es, teilweise oder ganz auf Hilfe zu verzichten, sobald du auf etwa fünf unterstützte Klimmzüge am Stück kommst. Möglicherweise sind normale Wiederholungen an diesem Punkt noch immer zu schwer, du kannst allerdings damit beginnen, die Stange anzuspringen und den Schwung für die Aufwärtsbewegung zu nutzen. Die Abwärtsbewegung führst du dann kontrolliert aus und lässt los, kurz bevor die Arme vollständig gestreckt sind. Sollte deine Klimmzugstange zu hoch hängen, lässt sich diese Negativklimmzüge genannte Variante auch am Campusboard trainieren.
Klimmzug-Tipp #3: Nutze das Pyramidensystem, um schnell bessere Ergebnisse zu erzielen
Progression lässt sich nicht nur durch schwerere Variationen, sondern auch durch kürzere Pausen erreichen. Eine Methode, die mit ihrer Kombination von kurzen Belastungs- und Entlastungszeiten dem Bouldern ähnelt, ist die Klimmzugpyramide im Duo. Dabei suchst du dir einen Trainingspartner, mit dem du dich an der Stange abwechselst. Im ersten Durchgang macht ihr einen Klimmzug. Während der eine an der Stange hängt, hat der jeweils andere Pause. Im zweiten Durchgang, der nahtlos an den ersten anschließt, erhöht sich die Wiederholungszahl auf zwei, im darauffolgenden auf drei, vier, fünf und schließlich auf sechs.
Solltet ihr sechs Durchgänge machen, habt ihr am Ende beide 21 Klimmzüge absolviert. Es ist aber auch denkbar, schon nach fünf oder erst nach sieben Durchgängen abzubrechen. Darüber hinausgehend macht die Pyramide meiner Meinung nach für Boulderer kaum noch Sinn, weil sich die Belastung immer weiter in den Ausdauerbereich verschiebt. In kurzen Routen ist aber eher Maximalkraft gefragt ist. Starten kannst du mit dem Pyramidentraining, sobald du zumindest fünf Negativklimmzüge schaffst, ohne dabei längere Pausen einlegen zu müssen.
Klimmzug-Tipp #4: Variiere die Ausführung
Sobald die Pyramide an sich keine Herausforderung mehr darstellt, wird es Zeit die Klimmzugausführung an deine Schwächen beim Klettern anzupassen. Fehlt es dir beispielsweise an Explosivität für weite Züge, kannst du ein paar Wochen lang Explosivklimmzüge trainieren, bei denen du die Aufwärtsbewegung möglichst schnell, die Abwärtsbewegung aber langsam und kontrolliert ausführst. Fehlt es dir an Blockierkraft, sind Frenchies das Mittel der Wahl. Hier machst du normale Klimmzüge, stoppst aber bei jeder Wiederholung an einem anderen Punkt der Bewegung. Üblich ist es, ein paar Zentimeter vor dem höchsten Punkt (1), bei 90 Grad Armbeugung (2) und kurz vor der Streckung der Arme (4) für etwa vier Sekunden innezuhalten. Nach drei Wiederholungen beginnt das Spiel von vorn.
Richtig eingesetzt können Klimmzüge dir helfen, schneller Boulder zu schaffen, die dir aktuell noch zu knackig sind. Zu einem Schwerpunkt deines Trainings solltest du sie gerade am Anfang aber nicht machen. Eine Pyramide oder zwei bis drei Sätze am Ende einer Session genügen, um gute Fortschritte zu erzielen.
*Alle Abbildungen stammen aus meinem neuen Buch Bouldertraining.
Weitere Teile dieser Serie:
Kraftfrage: Machen dich Klimmzüge zum besseren Boulderer?
Klimmzugtraining fürs Bouldern: Der schnelle Weg zu mehr Kraft in der Vertikalen
Hallo Ralf!
Danke für deine guten Tipps!
Ich bin auf der Suche nach einer verlässlichen Antwort, WANN man am besten Klimmzüge macht – also an welchen Stellen man sie in den Trainingsplan einbettet.
Sowohl über eine gesamte Woche betrachtet, aber vor allem auch, ob sie der Abschluss einer (harten) Bouldersession sein sollten („Arme leer machen“) oder gerade nicht. Fingertraining z.B. soll ja nicht zum Ende einer Session eingeplant werden, allerdings geht es da auch um anfälligere Körperteile.
Also, Klimmzüge gesondert und zuhause (wie wärme ich mich dann aber am besten auf, sodass ich überhaupt Maximal-Leistung abrufen kann)?
.. oder aufgewärmt im/nach dem Bouldertraining?
.. oder in eigener, umfassender Krafttrainingseinheit im Fitnessstudio?
Vielen Dank!
Timo
Moin,
sorry für die späte Antwort. So ganz einfach zu beantworten ist diese Frage gar nicht, weil es immer davon abhängt, welche Möglichkeiten man hat. Wenn man Kraft aufbauen will, ist es grundsätzlich eine gute Idee, das zum Hauptpunkt einer Trainingseinheit zu machen. Dann kannst dich komplett auf die Übung konzentrieren, bist nicht zu platt von anderen Sachen, die vorher liefen. Von daher wäre es eine gute Idee, die Klimmzüge nicht am Ende einer Klettersession zu machen, sondern beispielsweise während einer Trainingseinheit im Fitnessstudio. Besonders wenn Klimmzüge dir noch sehr schwer fallen, macht das Sinn.
Aber: Wenn es eine Übung ist, von der du schon problemlos deine 5, 6, 7 oder 8 Stück schaffst, kannst du sie auch am Ende einer Klettersession machen, wenn die nicht allzu anstrengend war. Bist du schon richtig platt, verlängerst du nur die Regeneration, ohne noch einen echten Trainingseffekt zu haben.
Geht beides nicht, weil du nur in der Kletterhalle Klimmziehen trainieren kannst, aber noch nicht stark genug bist, um am Ende des Klettertages noch mehr als zwei oder drei Stück zu schaffen, würde ich sie tatsächlich an die Erwärmung vor dem Klettern anschließen oder nach dem Warmklettern einbauen. Dann musst du natürlich damit rechnen, dass du beim Klettern etwas müder bist.
Was die Häufigkeit angeht: Zwei bis drei Mal die Woche Klimmzüge zu trainieren, ist für die meisten Menschen kein Problem. Ideal ist natürlich, wenn jeweils ein bis zwei Tage Pause dazwischen liegen. Wie lange es sein muss, ist aber sehr individuell. Wenn du den letzten Trainingstag (auch das Klettern) noch in den Armen, Schultern oder dem Rücken merkst, brauchst du vermutlich noch einen Tag Pause. Fühlst du dich gut, kannst du auch an deinen Klimmzügen arbeiten.
Ich hoffe, ich konnte dir ein wenig weiterhelfen.
Viele Grüße
Ralf