Boulderwissen: Wie geht ein korrekter Start?

Beim Einstieg in einen Boulder kann es schon mal zu Verwirrungen kommen – auch deshalb, weil unterschiedliche Meinungen darüber kursieren, was eigentlich ein legitimer Start ist. Dazu kommt, dass die modernen Probleme in den Hallen längst nicht immer mit einem einfachen Steh- oder Sitzstart beginnen. Wenn ein Start angelaufen oder angesprungen werden muss, kann das bei neuen Boulderern wie alten Hasen für Verwunderung sorgen. Ganz so kompliziert ist es dann aber doch nicht.

Korrekte Starts in der Halle und im Wettkampf

Gerade in der Halle ist es eigentlich ganz einfach: In der Mehrzahl der kommerziellen Bouldertempel verraten Schilder, wo sich die Startgriffe befinden. Manchmal gibt es zusätzliche Informationen, beispielsweise ob im Stehen oder im Sitzen begonnen werden soll. Sieht man davon ab, gilt: Bevor man die ersten Züge des Boulders macht, sollen die Hände für einen Augenblick auf dem oder den Startgriffen liegen. Man spricht vom kontrollierten Halten.

Im Wettkampf geht es manchmal noch strenger zu. Während offene Boulderwettkämpfe zumindest in der Qualifikation normalen Hallenregeln folgen, werden im Finale meist nicht nur Startgriffe, sondern auch -tritte festgelegt. Als korrekt begonnen gilt ein Versuch dann nur, wenn der Kletterer Füße und Hände an den markierten Griffen und Tritten angelegt hat, bevor er oder sie einen weiteren Zug macht. In größeren Wettkämpfen wie den Deutschlandcups des DAV oder internationalen Veranstaltungen des IFSC ist das die Norm.

Bedeutete das 2018 noch, dass die Kletterenden tatsächlich nur die markierten Startgriffe und -tritte nutzen durften, gibt es davon mittlerweile eine große Ausnahme. Seit 2019 ist es auch erlaubt, die Wand aktiv zu verwenden. Wenn es dir hilft, die Wand zu greifen oder zu stützen, um in den Start zu kommen, ist das also nach IFSC-Wettkampfregeln erlaubt. In der Halle kann man damit gelegentlich Routenbauer in den Wahnsinn treiben, wenn die Wandform es erlaubt, knifflige Startzüge zu umgehen. Willst du allerdings sichergehen, einen Boulder wirklich sauber geklettert zu haben, verwendest du nur den definierten Start.

Draußen bouldern: Der Fels lässt (manchmal) mehr Freiheiten

Etwas komplizierter kann es am Fels werden. Anders als beim Klettern an künstlichen Wänden sind die Linien hier nicht immer völlig klar. Noch dazu hat der Erstbegeher das Recht, den Boulder nach seinen Vorstellungen zu definieren. Gelegentlich kommt es deshalb vor, dass Teile des Felses bei der Begehung tabu sind, beispielsweise die Kante eines Blocks oder ein Griff. Beim Start muss so etwas natürlich berücksichtigt werden. Die entsprechenden Informationen bekommt man vom Begeher oder findet sie im Führer, sofern der Autor daran gedacht hat, sie dort aufzunehmen.

Mit solchen oder ähnlichen Markierungen werden Starts am Fels gekennzeichnet: links ein definierter Startgriff, in der Mitte ein Steh- und rechts ein Sitzstart.

Klar wird die Sache, wenn Markierungen an den Startgriffen angebracht wurden. Normalerweise handelt es sich um kleine Punkte, die anzeigen, wo die Hände und manchmal auch die Füße platziert werden sollen, bevor es losgeht. Das ist aber die Ausnahme. Gibt es überhaupt eine Kennzeichnung der Linie, handelt es sich meist nur um einen kleinen Pfeil, der den etwaigen Linienverlauf anzeigt und Auskunft über Steh- oder Sitzstart gibt. Dazu hat es sich eingebürgert, am Fuß des Pfeils für Sitzstarts einen zusätzlichen Querbalken zu zeichnen. Gibt es keine weiteren Markierungen, darf alles unterhalb dieses Pfeils verwendet werden. Bei Stehstarts hat man für gewöhnlich ebenfalls die freie Wahl. Reicht man vom Boden aus heran, kann es auch gegriffen werden.

Was bei regelkonformen Boulderstarts geht und was nicht

Was in der Theorie einfach klingt, kann in der Praxis schon mal für Diskussionen sorgen. Ein typisches Beispiel sind dynamische Starts wie Anläufer: Weil du draußen – sofern es keine klarere Definition gibt – alles greifen und treten darfst, was sich unterhalb des Startpfeils befindet, hört man immer wieder, das sei auch in der Halle so. So kommt es dann, dass manche Boulderer sich über Tritte, Elemente oder Wandstrukturen zu den Startgriffen vorarbeiten, ohne den eigentlich gedachten dynamischen Start zu machen. Geklettert sind sie dann auch, aber nicht das vom Schrauber definierte Problem. Der hat die Startgriffe schließlich nicht als solche definiert, damit die Kletterer am Ende alles andere greifen.

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Sie macht es richtig. Bei Anläufern muss der Startgriff angesprungen werden, wenn man ihn nicht erreicht, ohne Wandelemente zu stützen oder zu greifen. Auch der Tritt rechts im Bild ist als Starthilfe tabu.

In der Halle markieren Startzettel, wo die Hände beim Einstieg hingehören.

Unklarheit herrscht manchmal auch darüber, ob es okay ist, die Startgriffe in der Hand zu halten, sich mit einem Bein von der Matte abzustoßen und den Schwung direkt zum Weitergreifen zu nutzen. Gern genutzt wird diese Art des Einstiegs, wenn man Probleme hat, alle vier Gliedmaße stabil an die Wand zu bringen. Solltest du ebenfalls auf diese Technik zurückgreifen, muss ich dich enttäuschen. Auch das wird als falscher Start angesehen und würde beispielsweise im Wettkampf zum Abbruch des Versuchs durch die Schiedsrichter führen.

Mehr Spielraum hat man bei der Frage, ob die Hände tatsächlich sofort beide an den Startgriffen sein müssen, sobald die Füße den Boden verlassen haben. Das ist nämlich nicht zwingend der Fall. Handelt es sich beispielsweise um einen dynamischen Start, bei dem sich der Kletterer mit Schwung vom Boden abstößt und anschließend auf einem Volumen balanciert, genügt es auch, die Hände erst an die Startgriffe zu nehmen, wenn man bereits auf dem Tritt steht. Vorausgesetzt natürlich, du vorher nichts anderes gegriffen oder gestützt – außer der Wand. Kommst du von der Matte aus nicht an beide Startgriffe, dürftest du im Wettkampf außerdem den erreichbaren Startgriff doppeln. Anschließend musst du aber direkt zum zweiten Startgriff ziehen, bevor zu weiterkletterst.

Was der organisierte Klettersport sagt…

Kurz und bündig hält es der DAV in seinem aktuellen Regelwerk (Stand 2022) unter Punkt 8.18:

Der Start eines Wettkämpfers bzw. einer Wettkämpferin wird als:

A) „korrekt“ gewertet, wenn der Wettkämpfer bzw. die Wettkämpferin eine stabile kontrollierte Position mit beiden Händen und beiden Füßen an den Startgriffen, ohne andere künstliche Griffe oder Strukturen zu kontrollieren oder zu nutzen, erreicht hat.

Der Wettkämpfer bzw. die Wettkämpferin kann beim Start:

1) jeden Teil der Kletterfläche berühren, kontrollieren oder nutzen, um die
Startposition zu erreichen und/oder
2) jegliche Blocker Holds berühren.

B) „nicht korrekt“ gewertet, wenn der Wettkämpfer bzw. die Wettkämpferin:

1) keine stabile kontrollierte Position mit beiden Händen und beiden Füßen an
den Startgriffen erreichen konnte oder
Klettern – Nationales Regelwerk 21.1 41
2) bevor er bzw. sie eine stabile kontrollierte Position mit beiden Händen und
beiden Füßen an den Startgriffen erreicht hat, Griffe oder andere Strukturen,
welche nicht als Startgriffe markiert sind, berührt oder genutzt hat.

…und warum du dich daran nur unter bestimmten Bedingungen halten musst.

Grundsätzlich ist es natürlich deinen Kletterkollegen und dir überlassen, darüber zu entscheiden, wie ihr einen Boulder lösen wollt. Steht der Spaß  im Vordergrund entscheidet ihr, was okay ist und was nicht. Es kann sogar ein gutes Techniktraining sein, Starts bewusst anders als gedacht anzugehen. Dadurch ergeben sich manchmal interessante Bewegungen, die du so vielleicht noch nicht gemacht hast. Das ist eine Gelegenheit, dein Bewegungsrepertoire zu erweitern.

Geht es jedoch darum, sich mit anderen zu vergleichen, klappt das nur, wenn alle sich an die gleichen Regeln halten. Soll heißen: Willst du einen Boulder auf deine Tickliste setzen, musst du dich an die Definition des Schraubers oder Erstbegehers halten. Genauso sieht es in Wettkämpfen aus. Ansonsten ist die Wand ein Spielplatz, auf dem du klettertechnisch tun und lassen kannst, was dir gefällt.

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