Dieses Jahr ging unser österlicher Bouldertrip erstmals seit Langem nicht nach Fontainebleau. Dort ist es um diese Zeit ohnehin so voll, dass Unterkünfte nur Monate im Voraus erhältlich, Campingplätze dicht belegt und sogar unbekanntere Spots rege frequentiert sind. Bei der Suche nach guten Alternativen wanderte unser Blick Richtung Osten. Tschechien ist in dieser Hinsicht vielleicht etwas weniger bekannt, hat mit Petrohrad oder Sněžník aber durchaus Gebiete im Angebot, die auch jenseits der Landesgrenze Beachtung gefunden haben. Ostaš und Bor sind hingegen eher Geheimtipps, bei denen man schon etwas suchen muss, um überhaupt von ihrer Existenz zu erfahren. Nach einer Woche in der Region Náchod kann ich jedoch sagen, dass man sich deshalb keinesfalls von einem Trip an die tschechisch-polnische Grenze abhalten lassen sollte.
Ostaš – Blöckelei nahe der Felsenstadt von Adersbach
Der Bezirk Nachod liegt etwa dreieinhalb Autostunden von Dresden entfernt und bildet den südöstlichen Rand des Riesengebirges. Dass es in der Region Felsen gibt, ist tschechischen und sächsischen Kletterern schon länger bekannt. Im Nahe gelegenen Adersbach wurden bereits in den 1920er Jahren Routen an den Sandsteintürmen der Adersbach-Wechelsdorfer Felsenstadt eingerichtet. Für Boulderer gibt es hier nichts zu holen, im nur 17 Kilometer entfernten Ostaš haben die an die Sächsische Schweiz erinnernden Felsnadeln der Erosion aber weniger gut standgehalten, wurden vom Wetter gefällt und liegen nun als mehr oder minder große Blöcke am Rand des 700 Meter hohen Tafelberges.
Durch diese Entstehungsgeschichte gleicht vieles in Ostaš auf den ersten Blick Sněžník, tatsächlich gibt es aber einige Unterschiede, die das Gebiet meiner Meinung nach zu einem Ziel machen, für das die längere Fahrt lohnt. Der wichtigste Punkt ist das Gestein, das in Ostaš meist feiner und damit hautschonender ausfällt. Noch dazu bietet es die größere Abwechslung. Wandert man hier von Sektor zu Sektor, kann man fast den Eindruck bekommen, in unterschiedlichen Gebieten unterwegs zu sein. Bietet ein Block Kletterei an rauen Leisten, sind es ein paar Meter weiter Sloper wie in Bleau oder Löcher wie im Frankenjura.
Schwierigkeitstechnisch ist für fast jeden etwas dabei. Lediglich für den Bereich Fb 3-4 weist der aktuelle Führer (auch am Campinplatz vor Ort erhältlich) für das Gebiet so gut wie keine Einträge aus. Möglicherweise ist das aber auch den Erschließern geschuldet. Wir sind immer wieder auf Blöcke mit leichten Linien gestoßen, die im Topo nicht zu finden waren und bisher augenscheinlich unbeachtet geblieben sind. Den meisten Spaß wird man trotzdem haben, wenn der sechste Bleau-Grad sicher sitzt. Dazu sollte man sich in Ostaš auch mit höheren Blöcken anfreunden können. Zwar gibt es auch einige Lowballs, die Mehrzahl der Blöcke kommt aber auf drei bis fünf Meter Höhe. Wer eine gute Portion Leck-mich-am-Arsch in seinem morgendlichem Ist-mir-egal hatte, kann sich auch an Highballs versuchen, die es locker auf 7 oder 8 Meter bringen. Glücklicherweise ist der Fels fest und das Absprunggelände meistens gut.
Als weiteren Pluspunkt sehe ich, dass sowohl Blöcke im Wald als auch auf Lichtungen zu finden sind. Während erstere bei unserem Besuch häufig noch feucht und oft moosig waren, dürften sie ein gutes Ziel für wärmere Tage sein, wenn der Fels in der direkten Sonne nicht mehr kletterbar ist.
Bor – Sandsteineier unter Fichten
Unser zweites Ziel, Bor, ist in diesem Punkt das Gegenteil – zumindest von dem ausgehend, was wir gesehen haben. Das Gebiet liegt knapp 10 Kilometer von Ostaš entfernt oberhalb der Ortschaft Machov. Hier finden sich im Schatten eines Nadelwaldes Dutzende Sandsteinblöcke. Für warme Sommertage dürfte Bor eine gute Wahl sein. Im Frühjahr nach der Schneeschmelze sorgt die Dauerbeschattung allerdings dafür, dass die Probleme länger nass bleiben. Nach einem einzigen Tag im Gebiet haben wir deshalb Ostaš den Vorzug gegeben.
Mich hat der kurze Ausflug nach Bor dennoch überzeugt. Der Fels ist fest und die Oberfläche feiner als ein paar Kilometer weiter. Weil die Blöcke weniger kantig und die Griffe oft sloprig ausfallen, kommen Assoziationen mit französischer Blöckelei noch leichter über die Lippen. Mit zum Teil flacheren Felsen und oft sehr gutem Absprunggelände dürfte Bor auch weniger erfahrenen Boulderern zusagen. Probleme in den entsprechenden Schwierigkeitsgraden sind in jedem Fall vorhanden. Der im Netz zu findende Topo verspricht neben zahlreichen 6ern und 7ern auch Boulder im dritten, vierten und fünften Bleau-Grad.
Aktuell ist die Aufstellung allerdings nicht. Seit der Veröffentlichung wurden offenbar weitere Sektoren erschlossen, ein entsprechender Führer soll im Frühjahr dieses Jahres fertiggestellt werden. Schaut man auf 27crags nach, werden aktuell knapp 600 Probleme gelistet, was Bor in Sachen Umfang auf eine Stufe mit Ostaš hebt. Genug Material also, um auch einen längeren Boulderausflug zu füllen. Potenzial für Neubegehungen dürfte es ebenfalls geben. Beide Gebiete sind noch recht jung. Wer auf der Suche nach perfekt geputzten Felsen ist, wird das möglicherweise als Nachteil empfinden. Moosige Stellen gibt es immer wieder. Im Gegenzug sind Griffe und Tritte weit davon entfernt, poliert zu sein. Und Anstehen, um einen Boulder anzufassen, muss man ebenfalls nicht – anders als es in den Hauptgebieten Bleaus mittlerweile an jedem sonnigen Wochenende gang und gäbe ist.