Klettertechnik: Train it like Coxsey

Obwohl Training häufig mit harten Moves am Campusboard oder langen Sessions am Griffbrett gleichgesetzt wird – und diese ganz klar zum Pensum der Weltklasseathletin Shauna Coxsey gehören – soll in diesem Artikel ein anderer Aspekt ihrer Routine Thema sein: der Aufbau einer besseren, vielseitigeren Technik. In Weltcups hat die 24-jährige Britin mehr als einmal ihre Fähigkeit gezeigt, für bewegungstechnisch anspruchsvolle Probleme zügig eine Lösung zu finden. Warum ihr das manchmal scheinbar mühelos gelingt, verrät uns Coxsey mit schöner Regelmäßigkeit auf ihrer Facebook-Seite.

Begeisterung für das Ungewohnte

Wer durch die Timeline der Britin scrollt, findet Dutzende Videos mit einer ähnlichen Beschreibung: Bei ihrer letzten Session habe sie gemeinsam mit Freunden einen neuen Boulder ausgeheckt, der mit besonders kniffligen Zügen aufwarten kann. Im Video sieht man dann, wie sie das Problem angeht und manchmal erst nach mehreren Versuchen lösen kann. An der Kraft liegt es dabei eigentlich nie. Für die Schwierigkeit sind vielmehr ungewöhnliche Körperpositionen oder Bewegungen verantwortlich, die perfekte Koordination abverlangen, um zu gelingen. Dass die mehrfache Weltcupsiegerin damit zu kämpfen hat, zeigt, wie schwer die Boulder wirklich sind.

Eine bunt gemischte Griffauswahl schafft einen koordinativen Balance-Boulder, der sogar für die mehrfache Weltcuperste knifflig ist. Nach dem gleichen Prinzip kannst auch du dir Probleme kreieren, die nicht den Vorgaben der Schrauber folgen.

Die Britin liebt es offenbar, sich immer neue Herausforderungen zu suchen – eine Leidenschaft, die sie mit quasi allen starken Kletterern teilt. In dieser besonderen Form, dem Kreieren neuer Boulder, genehmigt sie sich jedoch das vielleicht beste Techniktraining, das man an einer Indoor-Wand realisieren kann. Coxsey mag dazu auch deshalb gezwungen sein, weil es in den meisten kommerziellen Boulderhallen nur wenige wirklich schwere Probleme gibt. Damit die Weltelite gefordert wird, müssen ihre Vertreter also zwangsweise kreativ werden. Dies heißt aber nicht, dass man erst alle Routen in der Heimathalle knacken können muss, um von ihrer Methode zu profitieren.

Hol mehr aus den Wänden, als da ist!

Moderne Boulderhallen bieten beim Techniktraining Freiheiten, die vor einigen Jahrzehnten noch unvorstellbar waren. Wenn man allerdings nicht die Erlaubnis hat, eigene Probleme an die Wand zu schrauben, kann das Potenzial dennoch ziemlich eingeschränkt werden. Zumindest, sofern du dich ausschließlich an die Routen hältst, die die Schrauber an die Wand gezaubert haben. Diese bringen beim Boulderbau ihren eigenen Stil ein und bestimmen deshalb auch deine Art zu klettern. Gute Schrauber offenbaren ein großes Bewegungsrepertoire und erlauben dir eine ebenso vielseitige Entwicklung. Das muss aber nicht zwangsweise so sein. Haben die regelmäßigen Schrauber ein Faible für einen bestimmten Stil und weichen von diesem nur selten ab, wird es für dich schwierig, dein Spektrum auszubauen. Weil das aber nötig ist, um auf viele Bewegungsfragen schnell eine passende Antwort zu haben, ist es eine gute Idee, mit dem vorhandenen Griff- und Trittmaterial herumzuspielen.

Solche Spielereien können sich im Wettkampf als nützlich erweisen, wenn ein Pendelsprung Richtung Wand abgefordert wird.

Die Möglichkeiten sind dabei vielfältig und reichen vom Weglassen einzelner Griffe in einem Boulder bis zur Entwicklung völlig eigener Probleme. Dabei werden Griffe ungeachtet ihrer Farbe miteinander kombiniert, was neue anspruchsvolle Züge erschafft. Am besten funktioniert das, wenn du die Kreativität wie Shauna Coxsey gemeinsam mit Freunden fließen lässt. Weil jeder eigene Ideen einbringt, stehen die Chancen gut, dass am Ende ein Boulder entsteht, der nicht nur deine persönlichen Stärken widerspiegelt. In jedem Fall handelt es sich dabei aber um Züge, die die Schrauber ursprünglich nicht im Sinn hatten. Das garantiert, dass du an der Wand auf immer neue Probleme triffst und unterschiedlichste Bewegungen trainierst. Folglich wächst auch dein Bewegungsrepertoire, selbst wenn die Gegebenheiten in der Halle nicht optimal ausfallen. Weil diese technische Vielseitigkeit neben Kraft und mentaler Stärke eine der drei Grundlagen guter Kletterei ist, solltest du großen Wert auf sie legen.

Möglichkeiten, dein Techniktraining abwechslungsreicher und effektiver zu gestalten, sind auch Thema in meinem Buch Bouldertraining, das sich umfangreich mit Mental-, Technik- und Krafttraining befasst. Darin stelle ich unter anderem über ein Dutzend Übungen vor, mit denen du dein Bewegungsrepertoire schneller verbessern kannst.

Artikelbild: H-stt / Wikimedia

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