Der Fuß als Anker (Teil 3): Toe Hooks – wenn die Zehen ziehen sollen

Reden Boulderer von Hooks sind damit in der Regel Heel-Hooks gemeint. Das mag daran liegen, dass es – wenn auch nicht alltäglich – zumindest intuitiv ist, die Ferse hinter einem Griff zu verhaken und sich dann mit dem Bein zur Wand zu ziehen. Heel-Hooks sind aber nur eine von zwei möglichen Hook-Techniken. Beim Klettern wirst du immer wieder auf Züge treffen, bei denen du dich zwar mit den Füßen festhalten musst, die notwendige Struktur für den Fersenklemmer aber fehlt oder die Körperposition diesen unmöglich macht. Dann ist es der Toe-Hook, der dich der Lösung des Problems näher bringt.

Ungewohnt, aber nützlich

Toe-Hooks sind eine Klettertechnik, mit der viele Boulderer erst einmal warm werden müssen. Anders als beim Heel-Hook wird nicht die Ferse, sondern der Spann des Fußes genutzt, um Zug aufzubauen. Dabei handelt es sich um eine Bewegung, die kaum jemand vom Start weg im Repertoire hat. Dass man mit der Fußspitze an etwas ziehen muss, kommt im Alltagsleben schließlich so gut wie nie vor. Entsprechend ungewohnt ist auch die Belastung für die beteiligte Muskulatur. Bei vielen Toe-Hooks ist es zum Beispiel nötig, das Sprunggelenk zu beugen, um mit dem Spann mehr Druck aufzubauen. Die dafür zuständigen Muskeln auf der Frontseite des Unterschenkels arbeiten allerdings selten gegen Widerstand. Von daher kann es gerade am Anfang mehrere Klettertage und Dutzende Versuche brauchen, bis du die für den Toe-Hook nötige muskuläre Koordination und Kraft aufgebaut hast.

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Hier zeigt Alex Megos, wie Toe-Hooks in einem Boulder gleich mehrfach sinnvoll eingesetzt werden können. Geht es beim ersten darum, die Hand zu lösen, folgt im Anschluss ein Toe-Hook, der den anderen Fuß kontert und so für sicheren Halt auf dem abschüssigen Volumen sorgt. Am Top hilft ihm der Zehenklemmer dann, den letzten Griff sicher zu halten. 

Beweglichkeit und Körperspannung

Kraft ist aber bestenfalls die halbe Miete. Wie gut du dich schlägst, hängt in vielen Situationen genauso von deiner Beweglichkeit ab – nämlich immer dann, wenn du deine Zehen an dem Griff verankern musst, den du gerade in der Hand hältst. Weil es leichter ist, mit einem gestreckten Bein Zug auf den Toe-Hook aufzubauen, sind in solchen Situationen diejenigen im Vorteil, die ihren Fuß bequem mit den Händen erreichen, ohne die Beine beugen zu müssen. Besonders bei Bouldern im Überhang macht sich das bemerkbar. Braucht man zum Lösen der Hand vom Griff den sicheren Zug des Toe-Hooks, entscheiden ein paar Zentimeter mehr oder weniger Bewegungsradius darüber, ob man mit dem Fuß genug Kraft aufbauen kann, um nicht den Halt zu verlieren. Gehörst du zur Kategorie der eher steifen Menschen, baut dein Körper beim Loslassen der Hand eventuell etwas Schwung auf, der dann mit den Zehen abgehalten werden muss. Findet man ohnehin wenig Halt, ist das Herauspendeln aus dem Boulder so vorprogrammiert.

In Balance-Bouldern können Toe-Hooks ebenfalls nützlich sein. Hier hilft der rechte Fuß, den Körperschwerpunkt auf das Volumen zu ziehen und ermöglicht es so, die Hand vom Startgriff zu lösen.

Ein weiterer Faktor ist die Körperspannung – vor allem, wenn es in den Überhang geht. Während Heel-Hooks im steilen Gelände zur Entlastung der Arme mit dem Fuß genutzt werden können, ist der Toe-Hook eher ein Mittel, um mit den Füßen nicht den Wandkontakt zu verlieren. Der Druck zwischen Tritt und Fuß wird dabei auch über die Körpermitte aufrechterhalten. Bricht diese ein, hat man gerade auf Tritten, deren Struktur und Form dem Spann wenig Halt bieten, kaum noch Chancen, in der Wand zu bleiben. Handelt es sich um eine Dachroute, kann die Belastung im Extremfall nah an eine Hangwaage heranreichen. Eine trainierte Rumpfmuskulatur ist also neben guter Beweglichkeit Trumpf.

Ideal für weite Züge

Wer bei diesen Aspekten schwächelt, wird vermutlich Heel-Hooks bevorzugen, wann immer es geht. Und tatsächlich wirst du häufiger die Wahl haben, ob du dich lieber mit der Ferse oder den Zehenspitzen verankerst. Trotzdem ist es sinnvoll, Toe-Hooks immer wieder zu trainieren und Boulder, die du zuvor mit Heel-Hooks gelöst hast, auch einmal mit einem Zehenklemmer zu versuchen, wenn sich beide Möglichkeiten bieten. Dabei dürfte dir relativ schnell der große Vorteil der Toe-Hooks auffallen: die höhere Reichweite. Während diese beim Heel-Hook häufig durch ein leicht gebeugtes Bein eingeschränkt wird, kann (und sollte) das Haltebein beim Zehenklemmer komplett gestreckt werden, was es dir erlaubt, beim nächsten Zug deine gesamte Körpergröße auszuspielen. Liegt ein Zug an deiner Reichweitengrenze, ist der Toe-Hook dadurch manchmal die einzige praktikable Lösung.

Hier wird das Plus an Reichweite sichtbar. Beim Toe-Hook ist das Haltebein komplett gestreckt. Im Ergebnis kann ich die rechte Hand etwas weiter um den nächsten Griff legen, was den nachfolgenden Zug erleichtert.

Thema Technik: Toe-Hooks richtig legen

Während sich die Technik von Heel-Hooks sehr gut anhand von Bildern zeigen lässt, sind die Abläufe beim Toe-Hook weniger gut sichtbar. Um sie dennoch verständlicher zu machen, arbeite ich in der folgenden Bildserie mit Pfeilen, die die Bewegungen und den Kraftaufbau illustrieren sollen. Grundsätzlich läuft ein Toe-Hook in drei Schritten ab:

1. Anlegen des Spanns am Tritt
Gestartet wird der Toe-Hook damit, dass du den Fuß hinter den zu hookenden Griff oder Tritt bringst. Dabei versuchst du, möglichst großflächig Kontakt zwischen Spann und Tritt aufzubauen. Nicht immer ist die optimale Position des Fußes so offensichtlich wie im nebenstehenden Foto. Merkst du von vornherein, dass du keinen Halt findest, hilft es möglicherweise, den Fuß in einem anderen Winkel anzulegen. Bis du die für dich optimale Position gefunden hast, kann es ein paar Versuche brauchen.

2. Greifen des Tritts mit den Zehen oder dem Spann
Sitzt der Fuß, beginnst du Druck aufzubauen. Dafür ziehst du die Fußspitze in Richtung des Tritts und versteifst dein Sprunggelenk. Hat der Tritt im Bereich der Zehen eine Kante, kannst du außerdem versuchen, die Zehen anzuziehen, um zusätzlichen Halt zu finden. Weil diese Bewegung eher ungewohnt sein dürfte, braucht es möglicherweise ein paar Anläufe, bis du den Dreh raushast. Bei sehr kleinen Kontaktflächen kann natürlich auch etwas Training nötig sein, bis die beteiligten Muskeln genug Druck aufbauen.

3. Strecken des Beins für volle Belastung
Ist das hookende Bein noch nicht voll gestreckt, wird es dafür jetzt Zeit, um den Zug auf den Tritt weiter zu verstärken. Zusätzlich kannst mit den Armen und der Hüfte Gegenzug aufbauen und dich so zwischen den Griffen und deinem Toe-Hook verspannen. Sitzt alles sicher, hast du im Anschluss mindestens eine Hand für den nächsten Zug frei.

Toe-Hooks sind wie bereits erwähnt auch Übungssache. Wie du die nötige Kraft und Beweglichkeit aufbaust, um mit dieser speziellen Klettertechnik warm zu werden, wird Thema des nächsten Artikels dieser Reihe sein.

Weitere Teile dieser Serie:

Der Fuß als Anker (Teil 1): Wie man Heel-Hooks richtig legt
Der Fuß als Anker (Teil 2): Mehr Kraft und Beweglichkeit für Heel-Hooks
Der Fuß als Anker (Teil 3): Toe-Hooks – wenn die Zehen ziehen sollen
Der Fuß als Anker (Teil 4): Mehr Kraft und Beweglichkeit für Toe-Hooks
Der Fuß als Anker (Teil 5): Was ein Schuh für Hooks bieten muss

3 Gedanken zu „Der Fuß als Anker (Teil 3): Toe Hooks – wenn die Zehen ziehen sollen

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