Der Fuß als Anker (Teil 4): Mehr Kraft und Beweglichkeit für Toe-Hooks

Im letzten Artikel dieser Serie habe ich den Toe-Hook näher vorgestellt. Darin ist auch zu lesen, dass diese Variante des Fußeinsatzes nicht nur etwas mehr Übung braucht als der Heel-Hook, sondern auch stärker von der spezifischen Kraft und Beweglichkeit abhängt. Wer den Toe-Hook erlernen will, ist also gut beraten, an mehreren Baustellen zu arbeiten. Wie das mit einfachen Mitteln möglich ist, soll der vierte Artikel der Hook-Serie klären.

Gute Körperspannung macht Toe-Hooks leichter

Wenn du dich selbst zu den Trainingsmuffeln zählst, die lieber klettern, als die immer gleiche Bewegung zu machen, hier erst einmal ein paar Worte zur Motivation: Zum einen ist es gar nicht zwingend nötig, ständig die gleichen Übungen zu wiederholen, zum anderen profitierst du von einem Mehr an Körperspannung auch in Situationen, in denen Toe-Hooks keine Rolle spielen. Die Körpermitte unter Kontrolle halten zu können, ist in jedem Dachboulder, bei dynamischen Zügen und häufig auch an der geraden Wand von Vorteil.

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Möglichkeiten, der Rumpfmuskulatur auf die Sprünge zu helfen, gibt es viele. Weil diese gerade beim Bouldern in Überhängen gefragt ist, kann es der erste Schritt sein, in jeder Session wenigstens ein paar Boulder im steilen Gelände zu klettern. Hattest du bisher wenig mit Überhängen am Hut, wird allein das binnen weniger Klettereinheiten für spürbare Fortschritte sorgen. Fühlst du dich im Dach bereits wohl, kannst du zu Übungen wie dem „menschlichen Pendel“ übergehen. Dabei suchst du dir eine henkelige Dachroute, kletterst diese und lässt nach jedem Zug die Füße kommen, um sie anschließend wieder neu auf die Tritte zu setzen. Bist du schon recht fit, versuche den Pendelschwung abzubauen und deine Treter aus eigener Kraft an die Wand zu bringen. Das verlangt der Rumpf- und Rückenmuskulatur mehr ab und steigert in der Folge den Trainingseffekt.

Stellt das kaum noch eine Herausforderung dar, kann eine Abwandlung des Tritteangelns trainiert werden. Dafür suchst du dir ein Dach mit vielen großen Griffen, hängst dich in zwei Henkel, bringst die Füße abwechselnd nach oben und trittst in Reichweite befindliche Strukturen an. Anders als beim normalen Tritteangeln stehst du diese nicht, sondern versuchst, einen Toe-Hook dahinter zu legen und kurz unter Spannung zu halten. Die Tritte müssen dafür natürlich ausreichend groß sein. Schon ein paar wenige Wiederholungen sollten ausreichen, um deine Rumpfmuskeln an ihre Grenzen zu bringen.

Beim Tritteangeln wird versucht, alle Trittmöglichkeiten in Reichweite mit dem Fuß zu berühren. Will man für Toe-Hooks trainieren, ist es sinnvoll, diese nicht anzutreten, sondern die Zehen dahinter zu verhaken. Hier ist die normale Ausführung zu sehen. (Abbildung aus dem Buch Bouldertraining)

Mobilitätstraining für mehr Reichweite der Hände

Beweglichkeit und insbesondere die Fähigkeit, bei gestreckten Beinen die Zehen mit den Händen zu berühren, sind für Toe-Hooks enorm von Vorteil. Häufig kommt es vor, dass der Fuß in der Nähe der Hand oder gar am gerade gehaltenen Griff verhakt werden muss. Braucht man dafür die Beine nicht zu beugen, ist es deutlich einfacher, Zug auf den Toe-Hook zu bringen. Folglich sollte jeder, der damit Probleme hat, an der Dehnbarkeit der Beinrückseite arbeiten.

Ich persönlich bin kein Fan von langen Stretching-Einheiten, bei denen eine Dehnposition über Minuten gehalten werden muss. Stattdessen bevorzuge ich einen dynamischen Dehnansatz, bei dem ich die Dehnposition nur für einen Augenblick, dafür aber mehrere Male am Stück einnehme. Mit dieser Methode zeige ich dem Körper zum einen, dass durch die Dehnung kein Schaden droht, wodurch mit der Zeit ein immer größerer Bewegungsradius möglich wird, zum anderen beanspruche ich die Gegenspieler der gedehnten Muskeln und kräftige diese. Das erlaubt es, die Dehnposition später nicht nur passiv, sondern auch aktiv einzunehmen, wie es für den Toe-Hook nötig ist.

Mit Klassikern zu mehr Beweglichkeit

Unter den möglichen Übungen finden sich vor allem Klassiker, die eigentlich jeder kennt. Aktuell nutze ich beispielsweise zwei Varianten der Vorbeuge, um meinen Beinrückseiten mehr Bewegungsfreiheit abzukämpfen. Bei der Vorbeuge wird versucht, im Stehen mit den Fingern den Boden zu berühren, ohne die Beine zu beugen – genauso wie man es schon zu Schulzeiten im Sportunterricht exerziert hat.

Variante A mit gespreizten Beinen. Alternativ können auch beide Hände gemeinsam nach einem Fuß greifen.

Bei Variante A gehe ich in einen etwas mehr als schulterbreiten Stand, beuge mich nach vorn und berühre mit der linken Hand den rechten Fuß und umgekehrt. Sobald ich einen Dehnschmerz spüre, halte ich die Position für ein bis zwei Sekunden und wippe leicht vor und zurück. Danach stelle ich mich wieder aufrecht hin und wiederhole das Ganze auf der anderen Seite.

Variante B führe ich mit geschlossenen Beinen durch und gehe mit beiden Händen zu den Füßen. In dieser Position ist es deutlich schwerer, den Boden tatsächlich zu erreichen. Um den Anspruch weiter zu erhöhen, achte ich anders als bei der Variante im breiten Stand darauf, den Rücken über seine gesamte Länge gerade zu halten. Die Bewegung wird ausschließlich aus der Hüfte durchgeführt. Auch hier senke ich den Oberkörper so weit ab, bis ich einen deutlichen Dehnschmerz spüre, und wippe dann für etwa zwei Sekunden auf und ab. Bei beiden Übungen plane ich pro Training zwei bis drei Sätze mit 12 Wiederholungen ein.

Variante B mit geschlossenen Beinen. Im rechten Bild ist zu sehen, dass der Rücken bereits leicht einrundet. Tiefer geht es dann nur noch bei unsauberer Ausführung. Hier habe ich ganz klar Nachholbedarf.

Es gibt natürlich weitere Möglichkeiten, die Rückseite der Beine zu dehnen. Für welche du dich entscheidest, bleibt dir selbst überlassen. Wichtig ist lediglich, dass du dich aus eigener Kraft in die Dehnposition bewegst, also nicht von einem Partner oder einem Hilfsmittel in die Dehnung gedrückt oder dort gehalten wirst.

Mehr spezifische Kraft und Koordination? Toe-Hooks, Toe-Hooks, Toe-Hooks

Bei Bewegungen, die für uns so ungewöhnlich sind, wie der Toe-Hook genügt es natürlich nicht, sich die körperlichen Grundlagen – also Kraft und Beweglichkeit – zu erarbeiten, man muss auch die Koordination der Muskeln schulen. Soll heißen: Wenn du deine Toe-Hook-Fertigkeiten verbessern möchtest, musst du sie immer wieder auf die Probe stellen. Möglichkeiten dafür gibt es in jeder Halle, selbst wenn die Routen eigentlich keine Toe-Hooks vorsehen. Dann bleibt es deiner Kreativität überlassen, sie in deine Lösung für vorhandene Probleme zu integrieren oder eigene Boulder zu kreieren, die ihren Einsatz erlauben.

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Besonders gut sind dafür natürlich Routen an Kanten oder mit großen Griffen geeignet. Neben dem Lerneffekt bietet das regelmäßige Training auch Vorteile in puncto Beweglichkeit und Kraft. Beide werden bei jedem Toe-Hook mitgeschult. So wird zum Beispiel die Muskulatur auf der Unterschenkelfront gekräftigt, die den Fuß angezogen hält und sich anders nur schwer trainieren lässt.

Weitere Teile dieser Serie:

Der Fuß als Anker (Teil 1): Wie man Heel-Hooks richtig legt
Der Fuß als Anker (Teil 2): Mehr Kraft und Beweglichkeit für Heel-Hooks
Der Fuß als Anker (Teil 3): Toe-Hooks – wenn die Zehen ziehen sollen
Der Fuß als Anker (Teil 4): Mehr Kraft und Beweglichkeit für Toe-Hooks
Der Fuß als Anker (Teil 5): Was ein Schuh für Hooks bieten muss

4 Gedanken zu „Der Fuß als Anker (Teil 4): Mehr Kraft und Beweglichkeit für Toe-Hooks

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