Jeder Kletterneuling ist anders und bringt verschiedene Stärken und Schwächen mit. Der eine hat möglicherweise von Haus aus ein gutes Gleichgewicht, der andere viel Kraft in den Fingern. Das spiegelt sich auch im Kletterstil wieder, den man in der ersten Zeit an den Tag legt. Ein paar Dinge gibt es allerdings, die fast jeder – selbst der talentierteste Anfänger – zu Beginn falsch macht. In den letzten Tagen habe ich versucht, eine Top-Liste an Problemen zu erstellen, die ich in meiner Anfangszeit bei mir selbst und heute häufig bei anderen Boulder-Novizen sehe. Kleiner Spoiler: Es hat viel mit unökonomischen Bewegungsabläufen zu tun.
Kletterfehler #1: Der Fokus liegt auf den Armen…
Den wohl wichtigsten Anfängerfehler beim Klettern wird man als Ungeübter gar nicht auf Anhieb als solchen erkennen – die Fokussierung auf das, was die Hände tun. Warum auch? Es wirkt ja ganz natürlich, sich auf das Festhalten zu konzentrieren, wenn man in der Vertikalen unterwegs ist. Schließlich muss man sich ja irgendwie an der Wand halten. Aber auch wenn das an sich richtig ist, bringt diese Konzentration auf die oberen Extremitäten mehrere Probleme mit sich.
Zum einen versuchen viele Anfänger, sich mit den Armen hochzuziehen, anstatt sich aus den Beinen nach oben zu drücken, was kraftsparender wäre. Zum anderen vergisst mancher dadurch, beim Hochklettern mit den Füßen weiterzutreten, sodass der- oder diejenige irgendwann komplett ausgestreckt an der Wand steht. Die Füße dann noch nachzuholen, wird schwierig, weil man kaum noch Bewegungsspielraum hat. Bleibt als Lösung oft nur, zurückzuklettern oder sich kurz an die Arme zu hängen und die Füße über einen kleinen Klimmzug näher an den Körper zu bringen. Von effizienten Bewegungen kann in beiden Fällen kaum die Rede sein. Diese sind aber das A und O, wenn es um gutes Klettern geht.
Lösung: Als Einsteiger sollte man sich möglichst schnell daran gewöhnen, dass die Kraft zum Steigen aus den Beinen kommt und die Arme in erster Linie Haltearbeit leisten. Genauso sollte man es vermeiden, sich zu überstecken, um den nächsten Griff zu erreichen. Leichter wird es, wenn man erst einmal höher tritt und dann zugreift.
Kletterfehler #2: …was zu fehlender Präzision bei den Füßen führt.
Problem #1 mündet direkt in Problem #2: Wer sich nur auf die Hände konzentriert, achtet nicht so sehr darauf, was die unteren Extremitäten tun. Anfänger donnern mit ihren Füßen oft völlig unpräzise auf die Tritte, weil sie im Kopf schon wieder beim Greifen sind, obwohl der Fuß noch gar nicht sitzt. Typischerweise zeigt sich das am bereits nach oben gerichteten Blick, bevor der Fuß überhaupt den Tritt berührt. Folge ist, dass man – sollte der Fuß gerade noch so halten – nachbessern muss und so Zeit verschwendet oder das unsichere Trittgefühl in Kauf nimmt, aber vermeidet, die Füße zu be- und damit die Arme zu entlasten. Im ungünstigsten Fall findet man natürlich überhaupt keinen Halt mehr und rutscht ab, was wiederum die beste Voraussetzung für eine Verletzung an den Fingern oder in der Schulter ist.
Lösung: Neulinge sollten ganz bewusst darauf achten, den Blick beim Weitertreten erst vom Tritt abzuwenden, wenn der Fuß sauber platziert ist. Hat man damit Schwierigkeiten, kann es helfen, sich in einer Route, die man ohne Probleme klettern kann, genau auf diesen Aspekt zu konzentrieren und so einen Automatismus zu entwickeln.
Kletterfehler #3: Die Tritte werden falsch belastet.
Überhaupt nehmen es viele Anfänger mit den Füßen leider nicht ganz so genau. Selbst wenn man versucht, die Tritte gezielt zu belasten, scheitert das oft an der falschen Fußstellung. Weil die Trittgelegenheiten anfangs für gewöhnlich recht groß sind, wird gern der Mittelfuß statt der Zehen zum Stehen eingesetzt. So vergibt man einerseits die Chance, ein Gefühl dafür zu entwickeln, was ein Tritt an Halt zu bieten hat. Andererseits wird es schwieriger, sich in der Route weiterzubewegen, weil der Fuß auf dem Tritt weder gedreht noch gestreckt werden kann. Dazu kommt noch, dass diese „Spezialtechnik“ in schwierigeren Routen nicht mehr funktioniert. Sich von Anfang an eine saubere Fußarbeit anzugewöhnen, macht also aus vielen Gründen Sinn.
Lösung: Beim Klettern von Traversen kann man eine Menge über die richtige Positionierung der Füße lernen. Weil es quer an der Wand entlang geht, machen sich Fehler bei der Fußarbeit schneller bemerkbar. Wer den Anspruch und damit den Lerneffekt etwas erhöhen will, legt fest, dass jeder Tritt bei einer frei definierten Querung nur einmal verwendet werden darf.
Kletterfehler #4: Man setzt auf Tempo, aber ohne Qualität.
Lange in der Wand zu hängen, lässt die Kraftreserven schwinden. Wer zu viel Zeit braucht, um eine Kletterstelle zu lösen, wird deshalb möglicherweise am Ende nicht mehr genug Strom in den Fingern haben, um den Top-Griff zu erreichen. Das wird auch Anfängern relativ schnell klar, weshalb man immer wieder ambitionierte Neulinge sieht, die sich in sagenhaftem Tempo durch eine Route stümpern. Dabei leidet natürlich die Form, weil auf saubere Bewegungen weniger Wert gelegt wird als auf Geschwindigkeit. Für die Entwicklung eines guten Technikvermögens ist das genauso Gift wie für die Verletzungsfreiheit, wobei Hautverlust mittelfristig noch das geringste Problem ist. Irgendwann kommt bei dieser Herangehensweise, die zum größten Teil auf unkontrollierten Schwung setzt, der Punkt, an dem Sehnen und Bänder den Dienst versagen.
Lösung: Gerade am Anfang sollte man den optimalen Weg als Ziel sehen. Es geht nicht darum, die Boulder irgendwie zu schaffen, sondern zu lernen, wie man sich am besten an der Wand bewegt. Neben den oben genannten Punkten sollte dabei Wert auf die Schwerpunktverlagerung gelegt werden. Das erlaubt es beispielsweise, die Füße zu entlasten, bevor man sie weitersetzt, was zu den Grundlagen solider Klettertechnik gehört.