Der Hals kratzt, die Nase läuft, alles zieht uns auf die Couch – und dann meldet sich im Hinterkopf eine Stimme und flüstert: „Na komm, ein bisschen Training geht doch… Vielleicht nur eine Stunde…Ansonsten waren die letzten Wochen komplett umsonst und du fängst wieder bei Null an!“ Klingt bekannt? Dann bist du in guter Gesellschaft. Die Angst vor Leistungsverlusten während einer Trainingspause kennt jeder, der den eigenen Sport etwas ernster nimmt. Und vielleicht hast du deine Schlappheit auch schon mal ignoriert und dich trotzdem in die Halle geschleppt, um dein Gewissen zu beruhigen. Stellt sich die Frage: Hat es Nachteile, wenn du nicht gehst? Und falls ja, bringt es dann etwas, verschnupft zum Klettern zu gehen? Oder wäre es doch besser, in diesem Fall dem inneren Schweinehund klein beizugeben?
Auswirkungen längerer Sportpausen
Klar ist, eine Zwangspause fühlt sich nie gut an. Und leider stimmt es auch, dass die Leistung zurückgeht, wenn du für ein paar Tage komplett auf Sport verzichtest. Aber wie stark dieser Leistungseinbruch ausfällt, hängt von zwei Dingen ab:
- Wie lange pausierst du?
- Wie erfahren bist du im Training?
Der Einsteiger vs. der Profi
Bist du noch relativ neu im Klettern, habe ich schlechte Nachrichten für dich: Es kann sein, dass du nach ein paar Wochen Pause tatsächlich wieder auf dein Ausgangsniveau zurückgerutscht bist. Das betrifft aber wirklich nur absolute Einsteiger. Eine australische Studie mit einer Gruppe älterer Männer hat gezeigt, dass der Körper selbst im Alter jenseits der 65 Jahre einerseits gut trainierbar ist und andererseits ziemlich hartnäckig an seinen Leistungszuwächsen festhält.
Für die Studie mussten die Männer ein halbes Jahr Krafttraining absolvieren und wurden anschließend in eine halbjährige Zwangspause geschickt. Während der Trainingsphase konnten die Teilnehmer ihre Kraft um bis zu 36 Prozent steigern, im anschließenden Detraining ging sie aber maximal um 15 Prozent zurück. Selbst nach einer derart langen Pause waren sie also noch deutlich fitter als zu Beginn. Dafür braucht es aber kein halbes Jahr. Grob über den Daumen gepeilt genügen schon drei Monate regelmäßigen Trainings, um dir die ersten langfristigen Fortschritte zu sichern.
Hast du sogar schon ein paar Jahre Training auf dem Konto, bist du in puncto Leistung recht stabil unterwegs. Dein Körper hat mehr Reserven und selbst nach Monaten Pause startest du nicht bei null. Das wirft natürlich die Frage auf, ob eine kurze Phase von wenigen Tagen oder Wochen ohne Training überhaupt spürbare Auswirkungen hat. Leider muss ich sagen: Ja, hat sie.
Das macht eine kurze Sportpause mit deinem Körper
Maximalkraft: Selbst eine Woche ohne Training bringt die ersten mess- und spürbaren Veränderungen mit sich. Als erstes leidet die Koordination in und zwischen den Muskeln. Weil sie schnell „vergessen“, wie eine Bewegung im Detail funktioniert, arbeiten sie nach der Pause erst einmal etwas weniger effizient zusammen. Heißt: deine Maximalkraft lässt nach.
Sauerstoffaufnahme: Bereits nach einer Woche kann die Fähigkeit deiner Muskeln, Sauerstoff aufzunehmen, abnehmen. Das ist allerdings ein Effekt, der bei austrainierten Ausdauersportlern am härtesten zuschlägt. Weniger trainierte Menschen müssen mit Verlusten im einstelligen Bereich rechnen. Und seien wir ehrlich: Selbst fitte Boulderer werden unter diesen Voraussetzungen kaum einen Unterschied bemerken.
Mitochondrien: Neben der Sauerstoffaufnahme ist auch die Energiebereitstellung in den Zellen betroffen. Nach zwei Wochen sinkt die Dichte der Mitochondrien deutlich ab. Diese häufig „Kraftwerke der Zelle“ genannten Kollegen stellen Muskeltreibstoff ATP her. Kein ATP = keine Bewegung.
Das klingt zugegebenermaßen nicht sonderlich prickelnd und hängt direkt damit zusammen, dass dein Körper nicht mehr im normalen Umfang gefordert wird. Ist die Lösung also, sich durchzubeißen und doch krank an die Kletterwand zu gehen?
Krank trainieren? – Training ist nicht gleich Training!
Jetzt denkst du vielleicht: „Okay, das möchte ich mir definitiv sparen. Und auch wenn ich kränkle, könnt ich doch wenigstens leicht trainieren.“ De facto tust dir damit aber keinen Gefallen.
1. Du trainierst auf Sparflamme
Das größte Problem, dass du in deiner angeschlagenen Verfassung nicht wirklich Gas geben kannst. Das musst du aber, um deine Leistungen zu erhalten. Ein leichtes Training, das dich kaum fordert, bietet dem Körper keinen Reiz, um deine Leistung zu erhalten.
2. Dein Immunsystem leidet
Soll es effektiv sein, musst du dich also doch anstrengen. Erkältet kommst du aber so oder so nicht auf das Niveau, auf dem du normalerweise arbeitest. Dafür setzt du deinen Körper Stress aus. Das Immunsystem, das eigentlich alle Kräfte für deine Genesung braucht, wird zusätzlich belastet. Ergebnis: Du fühlst dich noch schlapper und schleppst die Erkältung länger mit dir herum. Mal ganz davon abgesehen, dass du wohl kaum mit deiner Leistung zufrieden sein wirst. Dann wird es on top frustrierend.
3. Das Risiko ist real: Herzmuskelentzündung
Aber es kann noch Schlimmer kommen. Das Worst-Case-Szenario: Durch körperliche Belastung während einer Krankheit kann es zu einer Herzmuskelentzündung kommen. Dabei setzen sich die Erkältungsviren im Herzmuskel fest und greifen diesen an. Eine ausgeprägte Myokarditis kann dich über Monate aus dem Rennen nehmen. Egal, wie unangenehm es dir ist, für ein paar Tage auszusetzen. Das schlägt härter zu.
Aber wie schlimm ist eine kurze Pause wirklich?
Okay, jetzt mal Butter bei die Fische: Wie sehr wirft dich eine Pause von ein, zwei oder drei Wochen zurück?
Am stärksten wirkt sich dieser Zeitraum auf die Mitochondrien aus, deren Dichte im mittleren zweistelligen Prozentbereich abnehmen kann. Das klingt dramatisch und würde sich auch deutlich bemerkbar machen – wenn du Ausdauersportler wärst. Als Boulderer merkst du davon aber höchstens in sehr langen Bouldern etwas – und bei der Regeneration zwischen zwei Versuchen. Wenn das ATP nicht so schnell nachproduziert werden kann, braucht es einfach etwas länger, bis die Muskeln wieder frisch sind.
Dass die nicht mehr ganz so effektiv zusammenarbeiten, zeigt sich höchstens bei absoluten Limitzügen. Wenn du vor der Erkältung kurz davor warst, dein Projekt zu knacken, kann es sein, dass du den Kruxzug jetzt nicht mehr schaffst. Aber keine Sorge, Muskelmasse ist dir bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht verloren gegangen. Das schleicht sich erst nach mehr als einem Monat Sportabstinenz ein.
Und selbst wenn: Erinnerst du dich noch an die australische Studie mit den Rentnern? Nach ihrer Zwangspause sollten die Teilnehmer noch einmal trainieren, was den Forschern ermöglichte, zu schauen, wie lange der Wiederaufbau dauert. Und siehe da: Um das alte Niveau zu erreichen, brauchten die Probanden nur noch die halbe Zeit. Klassischer Memory-Effekt.
Heißt für dich: Startest du nach deiner Erkältung wieder ins Bouldern, bist spätestens nach ein oder zwei Wochen wieder komplett auf Kurs. Vermutlich sogar eher.
Das Fazit: Gönn‘ dir die Pause und genieß es!
Statt dich krank an die Wand zu schleppen, hau dich mit Tee und einem Buch auf die Couch oder statte der Streamingplattform deiner Wahl einen Besuch ab. Hauptsache Ruhe. Es mag nervig sein, aber die Alternative – längere Genesungszeiten, Frust oder im schlechtesten Fall eine ernsthafte Erkrankungen – ist viel schlimmer.
Und wer weiß, vielleicht nutzt dein Körper die Zeit, um sich von diesem nervigen Zwicken in den Fingern oder Ellenbogen zu erholen, das du eh schon viel zu lange ignorierst.