Boulder-Einsteiger? Diese Techniken musst du kennen!

Als Bouldereinsteiger taucht man in eine völlig neue Welt ein. Deshalb gibt es eine ganze Menge mehr zu lernen, als man anfangs glauben möchte. Das fängt bei der fürs Klettern typischen Sprache mit Begriffen wie Sloper, Pinch und Slab an, die man überall in der Halle zu hören bekommt. Es geht mit ungewöhnlichen Kleiderregeln weiter – Schuhe müssen plötzlich eng sein und dürfen etwas drücken? – und hört bei der Erkenntnis auf, dass manche vermeintlichen Wahrheiten über das Klettern schlicht falsch sind. Um gut zu klettern, muss man extrem stark sein? Nicht unbedingt! Es stimmt zwar, dass gute Boulderer oft überdurchschnittlich fit sind. Ohne saubere Bewegungen würden sie allein damit aber nicht weit kommen. Deshalb sind Klettereinsteiger gut beraten, viel Zeit in das Erlernen der richtigen Technik zu investieren, anstatt sich auf möglichst großen Kraftzuwachs zu konzentrieren. Vier Skills sind dabei besonders wichtig.

Lang ist besser als gebeugt

Was meinst du, was du länger durchhältst? Bist du ausdauernder, wenn du mit gestreckten Armen an einer Stange hängst? Oder fällt es dir mit gebeugten Armen leichter? Für eines meiner Videos habe ich das getestet und war ehrlich gesagt überrascht, wie groß der Unterschied ist. Während ich mich mit gestreckten Armen relativ entspannt zwei Minuten halten konnte, war mit angewinkelten Armen schon nach einer Minute Schluss. Die Vermutung liegt nahe, dass es bei dir sehr ähnlich aussieht. Und was für das Hängen an einer Stange gilt, trifft natürlich auch auf das Klettern an einer Wand zu. Gebeugte Arme machen schneller müde als gestreckte. Trotzdem tun sich viele Einsteiger unheimlich schwer damit, entsprechend zu klettern und sind Zug für Zug am gebeugten Arm unterwegs.

Tritt dieser Fehler bei Besuchern meiner Boulder-Coachings auf, bitte ich die Person, den Boulder noch einmal am langen Arm zu klettern. Gemeint ist damit, dass der Arm, der während des jeweiligen Zugs die Haltearbeit übernimmt, möglichst gestreckt bleibt. Gebeugt wird er nur, wenn das für den Zug tatsächlich nötig ist. Sich die ganze Zeit in die Wand zu ziehen, macht deine Arme unnötig platt und bringt selten wirklich Vorteile. Im Gegenteil: Bist du nah an der Wand, verlierst du zum Beispiel die Übersicht und kannst die nächsten Griffe und Tritte oft nicht mehr so gut sehen, es macht dich langsamer und schränkt deine Reichweite ein. Alles in allem wird das Bouldern so oft wesentlich anstrengender, weshalb das Klettern am langen Arm für jeden der Standard sein sollte.

Ein häufiger Fehler und wie du ihn beseitigst

Das Klettern am gebeugten Arm ist in vielen Fällen gar keine bewusste Entscheidung, sondern die Folge eines nicht komplett zu Ende gebrachten Zugs. Die Kletterer skippen nach dem Weiterziehen die letzte Phase der Bewegung, das sogenannte Nachgeben. Beim Klettern ist es normal, mit einem leicht gebeugten Arm im Griff anzukommen. Deshalb wird er gestreckt, sobald man sicheren Halt hat. Manche gehen aber direkt zum nächsten Zug über, ohne vorher in den langen Arm zu wechseln. Kleiner Tipp dazu: Passiert das auch dir, nimm dir nach dem Weitergreifen einfach einen Augenblick Zeit, um zu checken, ob dein Arm noch gebeugt ist. Falls ja, streckst du ihn, soweit es dir möglich ist und kletterst dann erst weiter.

Natürlich wird das nicht immer funktionieren, denn es gibt auch ein paar Klettersituationen, in denen es leichter ist, wenn die Arme gebeugt bleiben. Ein klassisches Beispiel sind dafür Kompressionsboulder, bei denen man einen Griff nur halten kann, weil man mit der anderen Hand oder einem Fuß Gegenzug aufbaut. Andererseits gibt es aber viele Boulder, die man mit guter Technik knacken kann, ohne die Arme überhaupt einmal anzuziehen. Die Arbeit machen dann vor allem die Beine.

Gute Kletterer sind wie Katzen: leise!

Damit die Beine diesen Job übernehmen können und du nicht permanent halbe Klimmzüge machst, um zum nächsten Griff zu kommen, brauchen sie erst einmal eine stabile Basis. Die liefern die Füße – sofern die Art passt, wie du sie auf den Tritten platzierst. Stehen deine Füße gut, sollte es gerade in leichteren Bouldern beinahe möglich sein, nach oben zu laufen. Die Hände haben dann nur die Aufgabe, dich an der Wand zu stabilsieren, während die Beine die gesamte Hubarbeit erledigen. Das trifft besonders auf Boulder an der Platte, der geraden Wand und im leichten Überhang zu. Aber selbst im steilen Überhang kann man viele Züge klettern, ohne wirklich die Arme anziehen zu müssen. Grundvoraussetzung ist – wie gesagt – dass die Füße gut stehen und nicht ständig abrutschen. Genau damit haben allerdings viele Boulderanfänger zu kämpfen. Mangelnde Aufmerksamkeit ist einer der wichtigsten Gründe dafür.

Präzise antreten zu können zahlt sich schon auf relativ großen Tritten aus. Hast du beim Stehen ein gutes Gefühl, kannst du besser aus den Beinen arbeiten.

Um dem zu begegnen gibt es einen weiteren Trick: Achte, wenn du deine Füße setzt, darauf, wie du deine Füße setzt. Das klingt banal, macht aber einen gewaltigen Unterschied. Denn viele Einsteiger tun genau das nicht. Wenn sie weitertreten, beginnen sie sofort mit der Suche nach dem nächsten Griff, obwohl ihr Fuß noch gar nicht auf dem Tritt steht. In der Folge kratzt der Schuh zuerst ein paar Zentimeter an der Wand entlang, bevor er mehr oder minder präzise auf dem Tritt einrastet. Bei riesigen Tritten funktioniert das mit etwas Glück, ein wirklich sicheres Gefühl vermittelt es aber selbst da nicht. Das merken auch die Kletternden. Oft sieht man, wie sie den Fuß noch ein paar Mal hin- und herwippen, bevor sie zum nächsten Griff ziehen. Meine persönliche Regel ist deshalb: Solange ich meinen Fuß nicht präzise gesetzt habe, bleibt mein Blick auf dem Tritt. Und erst, wenn ich mir sicher bin, dass der Fuß auch wirklich steht, kümmere ich mich darum, wo mein nächster Griff ist.

Spielerisch besser klettern

Trainieren kannst du das am besten, wenn du dich herausforderst, geräuschlos zu klettern – also zum Beispiel zu vermeiden, mit den Füßen beim Weitertreten schwungvoll gegen die Wand zu treten, wie es für einen unpräzisen Kletterstil typisch ist. Versuchst du das, schlägst du sogar zwei Fliegen mit einer Klappe. Denn dieses leise Antreten klappt nur, wenn du den Fuß vorher entlastet, also dein Körpergewicht auf das andere Bein verlagert hast. Dafür ist das Verschieben der Hüfte nötig. Genau dieses Neupositionieren der Hüfte vor einem Zug ist ein weiterer zentraler Bestandteil guter Klettertechnik, weil du darüber immer wieder in stabile Körperpositionen kommst, die es dir erlauben, ohne viel Krafteinsatz zu klettern. Auch deshalb ist es absolut empfehlenswert, das Leisetreten auf den Trainingsplan zu schreiben.

Mit dem richtigen Dreh wird es leichter

Wenn wir mit dem Bouldern anfangen, ist das frontale Klettern für uns der natürlichste Stil. Dabei zeigt unsere Front immer in Richtung Wand und wir bewegen uns ein wenig so, als würden wir nach oben krabbeln – eine Bewegungsart, die uns von Kindesbeinen an vertraut ist. Das Krabbeln ist aber nicht immer der leichteste Weg – besonders, wenn das Gelände steiler wird. Oft ist es dann kraftsparender, sich seitlich an der Wand zu positionieren. Im Klettersprech ist in solchen Fällen vom Eindrehen des Körpers die Rede.

Beim Eindrehen rotierst du deinen Körper so, dass entweder die linke oder die rechte Körperhälfte zur Wand zeigt. Welche es sein muss, hängt davon ab, mit welcher Hand du weiterziehen möchtest. Ist es die linke, dann drehst du auch die linke Seite zur Wand. Ziehst du mit rechts weiter, drehst du dich nach rechts ein. Diese Technik hat gleich eine ganze Reihe von Vorteilen. Wenn du im Überhang frontal kletterst, ist es relativ normal, dass deine Hüfte aus der Wand heraushängt. Dadurch müssen deine Hände einen größeren Teil deines Körpergewichts tragen. Drehst du dich ein, kommt die Hüfte näher an die Wand und es fällt dir leichter, dein Gewicht von den Füßen tragen zu lassen.

Damit ist auch der Vorteil verbunden, dass du dich besser aus dem Unterkörper in Richtung deines Zielgriffs schieben kannst. Im besten Fall erreichst du ihn schon, indem du deine Beine streckst, ohne deinen Haltearm überhaupt beugen zu müssen. Das funktioniert oft auch dann, wenn der Griff weit entfernt ist. Denn durch das Eindrehen kannst du im besten Fall deine komplette Reichweite nutzen. Beim frontalen Klettern funktioniert das oft nur noch mit Schwung, was diese Lösung anspruchsvoller macht.

Die goldene Regel des Eindrehens

Beim Eindrehen reichen zum Weiterziehen im Notfall auch zwei sichere Kontaktpunkte. Im Überhang kann das freie Bein sogar hängen gelassen werden und als Pendel die Bewegung unterstützen.

Ein häufiger Fehler von Einsteigern ist es, sich falsch einzudrehen. Das lässt sich aber leicht vermeiden, wenn du eine einfache Regel im Hinterkopf behältst: Beim Eindrehen kletterst du immer über die Körperdiagonale. Heißt: Wenn es für deine Füße nur einen sinnvoll nutzbaren Tritt gibt, müssen die während des Zugs verbleibenden Kontaktpunkte auf unterschiedlichen Seiten deines Körpers liegen. Hältst du dich zum Beispiel mit der linken Hand fest, weil du mit der rechten Hand weitziehst, musst du auf dem rechten Fuß stehen, damit das Eindrehen funktioniert. Deine Kontaktpunkte sind dann die linke Hand und der rechte Fuß. Dabei ist es übrigens kein Problem, wenn der andere Fuß keinen Tritt hat. Er kann auch gegen die Wand gestellt werden und so die Bewegung unterstützen. Damit das gut klappt, hilft es, sich dabei vorzustellen, man würde einen schweren Gegenstand mit dem Fuß wegschieben wollen.

Geschwindigkeit bringt Sicherheit

Gerade habe ich geschrieben, dass frontales Klettern gegenüber dem Eindrehen bei weiten Zügen im Nachteil ist, weil man mit mehr Schwung arbeiten muss. Aber: Schwung ist nicht per se etwas Schlechtes. Im Gegenteil – gerade wenn du Respekt davor hast, dynamisch zu Griffen zu ziehen und lieber statisch kletterst, ist es gut, dich mit Dynamik vertraut zu machen. Das bedeutet keineswegs, dass du dich auf wilde Koordinationsboulder stürzen musst. Schwung ist nicht nur Teil des Wettkampfstils. der heute auch den kommerziellen Routenbau erobert hat. Er macht auch viele eher klassische Kletterzüge leichter. Den richtigen Einsatz von Schwung zu lernen, hilft dir also selbst dann, wenn du dich eigentlich dafür entschieden hast, Comp-Style-Boulder links liegen zu lassen.

Echte Sprünge sind nur die Spitze des Eisbergs, wenn es ums dynamische Klettern geht. Denn schon sobald die Züge weiter werden, hilft der dosierte Einsatz von Schwung enorm. Statische Kletterer werden einwenden, dass man einiges mit der Kraft des Oberkörpers wegblockieren kann, was richtig ist. Trotzdem kommt man statisch schnell an die eigenen Grenzen, weil es deutlich mehr Kraft braucht. Und weil die statische Reichweite normalerweise viel geringer ist als bei dynamischen Bewegungen.

Eine kleine Ausholbewegung  macht den Unterschied

Also was tun? Am besten beginnst du ganz bewusst, die Art zu verändern, wie du Kletterbewegungen einleitest. Wer gerne statisch klettert, neigt dazu, vor dem Weiterziehen eine Position einzunehmen, diese dann einzufrieren und anschließend zum nächsten Griff zu ziehen. Das funktioniert, wenn du genug Kraft hast, diese Position stabil zu halten. Andernfalls brichst du ein, sobald du eine Hand löst. Dein Körper sackt nach unten und du musst anschließend den Schwung abfangen, der sich durch die Abwärtsbewegung aufgebaut hat.

Besser ist es, Züge mit einer kleinen Ausholbewegung der Hüfte einzuleiten. Wenn du weiterziehen willst, schiebst du deine Körpermitte kurz von der Wand weg und wirfst sie mit Schwung zurück in die Wand. Während dieser Rein-Bewegung, ziehst du weiter. Im besten Fall erreichst du den nächsten Griff kurz vor dem Umkehrpunkt der Bewegung und hast so Zeit, ihn sicher zu fassen, bevor dein Körper von der Schwerkraft wieder in Richtung Matte gezogen wird.

Solche dynamischen Bewegungen brauchen etwas Koordination und Präzision, haben aber einen riesigen Vorteil. Während du deine Muskeln bei einem langsamen Zug die ganze Zeit unter Spannung halten musst, machst du dir mit der Hüftauslösung das Trägheitsgesetz zu nutze. Der einmal aufgebaute Schwung trägt dich zum nächsten Griff, bevor die Schwerkraft dich zurückholen kann. Das spart Kraft und macht manche Züge überhaupt erst möglich. Wenn zum Beispiel ein Griff so schlecht ist, dass du ihn ohne die Hilfe der zweiten Hand gar nicht halten kannst, kannst du auch nur weiterziehen, wenn du mit etwas Schwung arbeitest. Statisch würdest du schließlich abrutschen, wenn du die zweite Hand löst.

Solltest du dich doch irgendwann dazu entscheiden, Koordinationsboulder im Wettkampfstil anzugehen, bist du ebenfalls auf die Hüftauslösung angewiesen. Sie ist die Basis des dynamischen Kletterns. Beherrscht du sie, wirst du also nicht nur in klassischen Festhaltebouldern stärker. Es wird dir auch leichter fallen, die komplexen Bewegungen des Wettkampfstils zu erlernen. Willst du erfolgreich klettern, führt an Dynamiktraining also kein Weg vorbei. Bist du Klettereinsteiger und suchst nach weiteren hilfreichen und gut strukturierten Informationen zu deinem neusten Lieblingssport, dann empfehle ich dir, einen Blick in mein Buch Grundkurs Bouldern zu werfen. Darin erkläre ich dir alles, was du zu Technik, Equipment und den Spielregeln des Boulderns wissen musst.

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