Beim Einstieg ins Bouldern stellen Kletterschuhe einen der größten Kostenfaktoren dar. Preise jenseits der 100 Euro sind mittlerweile die Regel. Selbst Einsteigermodelle rangieren heute oft nur noch knapp unter dieser Marke. Zum Glück für preissensible Käufer gibt es aber noch immer Ausnahmen. Mit dem Rock hatte das französische Traditionsunternehmen Simond mehrere Jahre einen unschlagbar günstigen Klettertreter im Angebot. Gerade einmal 35 Euro musste man bei der Anschaffung berappen. Mittlerweile ist der Rock aus dem Sortiment verschwunden. Dafür steht seit einiger Zeit der First Klimb als inoffizieller Nachfolger in den Regalen von Decathlon, dem exklusiven Vertriebspartner der Franzosen. Mit 45 Euro ist er etwas teurer geworden. Da drängt sich die Frage auf: Hat Simond nur an der Preisschraube gedreht oder bekommt man auch einen besseren Schuh für sein Geld?
Alte Ideen modernisiert
Den Simond Rock neben anderen Kletterschuhen zu erkennen, war selbst für das ungeübte Auge keine Kunst. Zwischen den oft sehr bunten Modellen anderer Hersteller war der fast komplett grau gehaltene Einsteigerschuh zum einen auffällig unauffällig. Zum anderen hatte Simond mit dem Einsatz von Baumwollstoff statt Leder oder Synthetik eine eher unübliche Wahl für das Obermaterial getroffen. Selbst im eigenen Sortiment war der Schuh damit ein Unikat. Trotzdem scheinen die Franzosen mit ihrer Entscheidung grundsätzlich zufrieden gewesen zu sein. Schließlich bekommt das Konzept mit dem First Klimb eine Neuauflage, erfreulicherweise etwas aufgehübscht. Auch wenn ich das alte Modell mehrere Jahre im Einsatz hatte, wirklich schön fand ich den Rock nie. Der First Klimb ist da dank seines moderneren Designs um einiges ansehnlicher – zumindest nach meinem Empfinden.
Die neue Optik ist auch den überarbeiteten Features geschuldet. Der Rock war ein klassischer Schnürer, was ich bei Einsteigerschuhen als Vorteil schätze, weil der Schuh sich sehr gut an die Fußform anpassen lässt. Beim First Klimb ist die Schnürleiste einem langen Klettverschluss gewichen. Dessen Band zieht sich über den halben Spann und wird zwei Mal umgelenkt. In der Praxis hat mich auch diese Lösung überzeugt. Der Schuh kann noch immer gut angepasst werden, das An- und Ausziehen und das Nachjustieren gehen aber wesentlich schneller von der Hand. Gerade beim Bouldern bringt das Vorteile, weil man zwischen Versuchen häufiger hinein- oder hinausschlüpft, um den Füßen eine Pause zu gönnen.
Komfort versus Perfomance
Grundsätzlich liegt der First Klimb am bequemeren Ende des Kletterschuhspektrums. Dafür sorgt der breite Schnitt, die symmetrische Form und der Verzicht auf Vorspannung und Downturn. Dass die Zunge unter dem Verschluss im Gegensatz zum Rock gepolstert ist, ist in diesem Punkt ebenfalls ein Zugewinn. Weil ein großes Toe-Hook-Patch fehlt, ist die Zehenbox nach oben flexibel und drückt dementsprechend nicht so schnell.
Dieses Plus an Tragekomfort schlägt sich natürlich ein Stück weit in der Performance nieder. Während man auf größeren Tritten überhaupt keine Probleme haben wird, sind kleine Spaxtritte und der First Klimb kein perfektes Match. Der Schuh ist relativ weich und mangels Vorspannung darf man nicht allzu viel Unterstützung erwarten. Um sehr kleine Tritte sicher stehen zu können, braucht es also mehr Kraft im Fuß als bei einem weniger bequemen Modell. Weil die Schuhspitze recht breit ist, ist es außerdem schwieriger, derart kleine Tritte präzise anzutreten. Ähnlich sieht es beim Klettern im Überhang aus. Im steilen Gelände würde etwas Downturn helfen, wenn die Tritte kleiner ausfallen. So braucht es mehr Körperspannung, um den Halt nicht zu verlieren. Wirklich ins Gewicht fällt das aber nicht. Wir reden hier von Situationen, die den meisten First Klimb-Trägern so gut wie nie an der Wand begegnen werden.
Die Hook-Qualitäten des Schuhs bieten ein gemischtes Bild. Ob ein Toe-Hook hält, ist ohne Toe-Hook-Patch Glückssache. Versucht man es dennoch und rutscht ab, geht das auf Kosten der Nähte auf der Oberseite. Heel-Hooks sind dagegen kein Problem. Die Ferse ist großzügig mit dem gleichen Gummi überzogen, der auch bei der Sohle zum Einsatz kommt. Vorausgesetzt der Schuh passt und wird nicht vom Fuß gezogen, halten auch schwierigere Hooks sicher.
No-Name-Gummi statt Vibram: Schwächelt die Reibung?
Stichwort Sohle: Der First Klimb ist meines Wissens der einzige Kletterschuh im Simond-Sortiment ohne Vibram. Stattdessen setzen die Franzosen auf eine nicht näher genannte, eigene Gummimischung. Das war schon beim Rock der Fall und lieferte dort noch durchwachsene Ergebnisse. Besonders auf Volumen war die auf Langlebigkeit getrimmte, harte Sohle von Nachteil. Beim First Klimb hat man dieses Manko durch eine (vermutlich) weichere Gummierung behoben. Stimmt die Technik, bleibt der Fuß auch auf abschüssigen Reibungstritten sicher stehen. Da der Schuh insgesamt eher weich ist, geht er beim flächigen Antreten problemlos mit. Im modernen Routenbau, bei dem viele Volumen und Gfk-Griffe zum Einsatz kommen, sind diese Eigenschaften selbst für Klettereinsteiger sehr wertvoll.
Weil ein weicheres Gummi immer auch mehr Abrieb bedeutet, hat Simond dem Schuh eine dickere Sohle verpasst. Das erhöht die Lebensdauer, verringert im Gegenzug aber die Sensibilität. Man merkt also nicht immer, ob der Fuß tatsächlich hält, selbst wenn er es tut. Das ist schade, weil dadurch ein Stück Sicherheitsgefühl verloren geht. Mit der Zeit wird die Sohle naturgemäß dünner. Es ist also gut möglich, dass sich dieses Problem dann von allein gibt.
Rundes Paket für den Einstieg ins Klettern
Nach mehreren Wochen im Einsatz bin ich vom First Klimb positiv angetan. Vor allem auch deshalb, weil ich den Schuh trotz seines Namens mittlerweile mehrmals in Bouldern eingesetzt habe, deren Schwierigkeit weit außerhalb des Einsteigersegments liegt. In der Halle im Bereich 6C/7A zu bouldern, ging absolut in Ordnung. Voraussetzung war natürlich, dass die Boulder nicht gerade die Schwachstellen des Schuhs gekitzelt haben. Zu kleine Tritte oder Toe-Hooks sollten es also nicht sein. Für die eigentliche Zielgruppe des First Klimb ist das weniger relevant. In den unteren und mittleren Schwierigkeitsgraden sind winzige Spax-Tritte und schwere Toe-Hooks die absolute Ausnahme. Genauso wenig braucht es Performance-Features wie Vorspannung und Downturn, auf die Simond zu Gunsten eines höheren Tragekomforts verzichtet hat. Deshalb hatte ich zum Beispiel bei Boulder-Coachings keine Bauchschmerzen, meine doppelt so teuren Simond Edge Slipper* (Test)im Schrank zu lassen, die mich normalerweise beim Klettern begleiten.
Für Neulinge im Klettersport ist der First Klimb deshalb nicht nur mit Blick auf den Preis eine interessante Option. Die Performance an der Wand ist mehr als ausreichend, sodass der Schuh in den ersten Monaten, möglicherweise sogar Jahren kein limitierender Faktor wird, solange er nur gut sitzt. Decathlon empfiehlt, ihn in Straßenschuhgröße zu kaufen. Das kann ich so bestätigen. Kleiner wird er sicher unbequemer, bietet dann aber auf kleinen Tritten mehr Sicherheit. Kauft man ihn hingegen größer, wie es Decathlon vorschlägt, wenn man großen Wert auf Komfort legt, dürfte das Trittgefühl stark leiden. Davon würde ich deshalb abraten.
Ein Wort noch zur Haltbarkeit: Die Verarbeitung von Simond-Schuhen ist solide und hat sich meiner Erfahrung nach in den letzten Jahren beständig verbessert. Deshalb würde ich mir keine Sorgen machen, dass der Schuh nach ein paar Einsätzen auseinanderfällt, obwohl er so günstig ist. Auch die ungewöhnliche Materialwahl ist kein Nachteil. Bei meinem Simond Rock hat sich zwar an der Seite im Obermaterial ein Loch gebildet, was ungewöhnlich ist. Bis es soweit war, hat es aber gut zwei Jahre gedauert. Bei den meisten Leuten wäre zu diesem Zeitpunkt die Sohle längst durchgeklettert gewesen. Erfahrungsgemäß sind die ersten Klettertreter diejenigen, die am schnellsten wieder ersetzt werden. Auch deshalb ist es in meinen Augen ein Pluspunkt, dass hier auf tierische Bestandteile verzichtet wurde.
Den Simond First Klimb findest du im Online-Shop* und den Filialen von Decathlon.
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Ein Gedanke zu „Simond First Klimb: Was kann der 45-Euro-Kletterschuh von Decathlon?“