Wenn der Spätherbst die Temperaturen Richtung null sinken lässt und Sonnenstunden zu einem spärlichen Gut werden, ist für die meisten Boulderer die Outdoor-Saison beendet. Zeit also, sich wieder der Halle zuzuwenden. Langweilig wird es in der Szene deshalb aber nicht. Weil die kalten Monate überall in der Republik für Jedermanns-Wettkämpfe genutzt werden, können ambitionierte Kletterer auch weiterhin in geselliger Runde schwere Probleme beackern. Das ist selbst dann lohnenswert, wenn man nicht zur lokalen Elite gehört oder das Bouldern gerade erst für sich entdeckt hat. Was hinter den Jedermanns-Wettkämpfen steckt, was dich erwartet und ob sich der Besuch für dich lohnt, verrät dir der folgende Artikel.
Offene Boulder-Wettkämpfe – Was steckt dahinter?
Jedermanns-Wettkämpfe werden mittlerweile in eigentlich jeder größeren Stadt abgehalten, die eine Boulderhalle beheimatet. Organisiert werden die Events von Hallenbetreibern und/oder einer Gruppe von Kletterern, die es sich zum Ziel gesetzt haben, der hiesigen Community ein besonderes Erlebnis zu bescheren. Dabei gibt es grundsätzlich zwei verschiedene Organisationsformen: Entweder ist der Wettkampf eine Einzelveranstaltung der jeweiligen Halle oder er ist Teil einer Cupserie, bei der nicht nur die Tagesleistung der Teilnehmer, sondern in der Endwertung die Ergebnisse aller Events gewürdigt werden. Auf die Gestaltung des jeweiligen Wettkampftags hat das keine Auswirkungen. Wer allerdings bei einer Serie erfolgreich sein will, muss bereit sein, größere Strecken zu fahren und in kurzer Zeit an mehreren Wettkämpfen teilzunehmen. Der in den neuen Bundesländern populäre Ostblock-Cup macht in der Saison 2017/2018 beispielsweise in Berlin, Halle, Leipzig, Dresden und Chemnitz Station.
Obwohl gerade bei Cup-Serien gute Leistungen auch mit Preisgeldern oder Sachpreisen belohnt werden, steht der Spaß bei Jedermanns-Veranstaltungen im Vordergrund. Es geht eher darum, Gleichgesinnte zu treffen, gemeinsam Boulder zu lösen und einen außergewöhnlichen Klettertag zu genießen. Das spiegelt sich auch im Ablauf der Veranstaltungen wieder.
Wie muss man sich einen Wettkampftag vorstellen?
Während professionelle Boulderwettkämpfe strengen Regeln unterliegen, nach denen sich die Teilnehmer unter Aufsicht von Schiedsrichtern die Lösung für Boulder allein erarbeiten müssen, geht es bei Jedermanns-Wettkämpfen wesentlich lockerer zu. Zwar unterteilen sich die Veranstaltungen ähnlich wie Profi-Events in eine Qualifikation und ein Finale, die Teilnehmer treten hier aber nicht separat an. Stattdessen dürfen sich alle Kletterer nach dem Start der Quali-Phase gleichzeitig an den Bouldern versuchen. Man bekommt also die Möglichkeit, anderen bei ihren Begehungen zuzuschauen und sich über Lösungswege auszutauschen. Für die Dokumentation der Ergebnisse ist man selbst verantwortlich, was die Ehrlichkeit jedes Einzelnen voraussetzt. Am Ende dieses mehrstündigen Vorausscheids werden die geschafften Boulder von den Teilnehmern in ein System eingetragen und anschließend die Platzierung errechnet.
Die Soul Moves Süd sind mit ihrer mittlerweile über zehnjährigen Geschichte eine echte Institution unter den Jedermanns-Wettkämpfen und ziehen dementsprechend jedes Jahr hunderte Athleten zu den jeweiligen Stationen.
Die ersten Fünf oder Sechs werden im Anschluss noch einmal zum Tanz gebeten und dürfen sich an den Finalrouten probieren. Der Ablauf kann sich hier je nach Veranstaltung unterscheiden: Mal müssen die Finalisten allein auf die Matte und selbst die richtige Lösung finden, mal können sie den anderen zusehen, sobald sie ihren ersten Versuch gemacht, das Problem aber nicht geschafft haben. Weil im Finale die Zeit begrenzt ist und die Anzahl der Versuche in die Wertung eingeht, sind Biss und Bewegungskreativität noch wichtiger als in der vorhergehend Qualifikation. Als Motivationsbonus gibt es die Anfeuerungsrufe des Publikums, die selbst müde Finger noch einmal mobilisieren können. Kämpft sich ein Finalist dann zum Top, kann in der Halle eine fürs Bouldern ansonsten eher untypische Stadion-Atmosphäre aufkommen.
Boulder-Bundesliga: der etwa andere Ansatz
Eine Ausnahme vom normalen Wettkampfgeschehen stellt die vor zwei Jahren gestartete Boulder-Bundesliga dar. Wer hier teilnimmt, fährt zwar auch von Halle zu Halle, um dort mit Boulderbegehungen Punkte zu sammeln. Den Termin bestimmt man aber selbst. Die sogenannten „Spieltage“ in den teilnehmenden Hallen dauern jeweils sechs Wochen. In dieser Zeit darf man den Spielort beliebig oft besuchen und kann offene Boulder folglich mehrmals projektieren. Das ist besonders dann interessant, wenn man sich schwertut, unter vielen Menschen zu bouldern, den Wettkampf aber grundsätzlich mag und Spaß daran hat, verschiedene Hallen zu besuchen.
Wie funktioniert die Wertung bei Boulderwettkämpfen?
Wie bereits erwähnt, werden bei den Boulderwettkämpfen Punkte für Begehungen gesammelt. Dabei unterscheidet man grundsätzlich zwischen Flashs und Tops. Als Flash gewertet wird eine Begehung, wenn der jeweilige Boulder im ersten Versuch geklettert wurde. Braucht man mehr als einen Anlauf, kann der Boulder nur noch getopt werden. Manche Wettkampfveranstalter ergänzen dieses System um die Bonus-Wertung. Dabei wird ein Griff inmitten des Boulder bestimmt, dessen Erreichen ebenfalls Punkte bringt. Der Bonus ist natürlich weniger als ein Flash oder Top wert, sichert man sich mehrere Bonus-Griffe, kann das aber durchaus einen Einfluss auf die Endplatzierung haben.
Wie die Wertung im Detail funktioniert, hängt von der Veranstaltung ab. Beliebt ist beispielsweise der Holland-Modus, bei dem jedem Boulder 1000 Punkte zugewiesen werden, die sich auf die Begeher aufteilen. Schafft nur ein Teilnehmer eine Route, stehen ihm also die vollen 1000 Punkte zu. Gelingt einem weiteren der Top, erhalten beide Boulderer 500 Punkte. Damit Begehungen im ersten Versuch honoriert werden, gibt es zusätzlich einen Flash-Multiplikator, der häufig bei 1,2 liegt. Hat einer der beiden Boulderer das Problem geflasht, werden seine 500 Punkte mit 1,2 multipliziert, ihm also 600 Zähler aufs Punktekonto addiert.
Dieses System ist fair, weil die Wertigkeit direkt von der Begehungszahl und damit von der Schwierigkeit des Boulders abhängt. Allerdings hat es auch einen entscheidenden Nachteil: Um die maximale Punktzahl zu erreichen, müssen selbst die stärksten Athleten die leichtesten Boulder klettern. Das macht es anstrengender und sorgt für zusätzlichen Andrang an Problemen der niedrigeren Schwierigkeitsgrade. Manche Veranstalter setzen deshalb auf eine feste Punktzahl, die sich an der geschätzten Schwierigkeit eines Problems orientiert, und legen gleichzeitig fest, dass nur eine bestimmte Anzahl der gekletterten Boulder – zum Beispiel die persönlichen Top 10 – in die Wertung einfließen. So muss jeder nur klettern, was am Rande der eigenen Möglichkeiten liegt. Das hat natürlich Einfluss auf die Strategie, der man folgen sollte, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen.
Für wen lohnt sich der Besuch eines offenen Boulder-Wettkampfs?
Grundsätzlich sind Jedermanns-Wettkämpfe für all jene interessant, die in irgendeiner Form Begeisterung für das Klettern aufbringen. Selbst wenn man nur als Zuschauer anwesend ist, bekommt man spätestens im Finale eine beeindruckende Show geboten. Bei der Teilnahme sieht es ähnlich aus: Jedermanns-Wettkämpfe sind in der Regel so gestaltet, dass Sportler aller Leistungsklassen auf ihre Kosten kommen. Selbst für Boulderer, die erst wenige Monate dabei sind, sollte es also machbare Routen geben. Gerade diese können aus einem Wettkampf viele Impulse für ihre Kletterentwicklung mitnehmen – nicht nur, weil die Bewegungsaufgaben vielfältig sind, sondern auch, weil man für gewöhnlich verschiedene Lösungsansätze präsentiert bekommt, ausprobieren kann und sieht, was jenseits des eigenen Kletterhorizonts für Otto-Normal-Sportler möglich ist. Dadurch kann sich eine Wettkampfteilnahme zu einem großartigen Techniktraining und Motivator entwickeln. Gleichzeitig bieten diese Veranstaltungen eine außergewöhnliche Atmosphäre und die Gelegenheit, Menschen kennenzulernen, die die gleiche Leidenschaft teilen.
Grundvoraussetzung für einen als gelungen empfundenen Wettkampftag ist natürlich, dass man kein Problem mit dem Vergleich hat, und damit umgehen kann, seine Boulder nicht unbedingt in Ruhe zu klettern. Außerdem sollte man, um Spaß zu haben, mit selbst erzeugtem Druck umgehen können. Ob man diese Attribute vorweisen kann, verrät im Zweifelsfall der Selbstversuch.
Ein Gedanke zu „Wie läuft eigentlich ein offener Boulder-Wettkampf ab?“