Der Fuß als Anker (Teil 5): Was ein Schuh für Hooks bieten muss

An Kletterschuhe werden ganz besondere Anforderungen gestellt. Sie müssen so eng sein, dass sie den Fuß beim Stehen auf kleinen Tritten optimal unterstützen, ohne jedoch so steif zu sein, dass man die Zehen nicht auch flächig aufstellen könnte, wenn es bei Reibungskletterei nötig ist. Gleichzeitig soll das Trittgefühl so gut ausfallen, dass der Kletternde sehr genau spürt, was sich unter der Sohle abspielt. Im Idealfall ist der Schuh dazu noch bequem genug, um nicht binnen von Minuten unerträgliche Schmerzen zu bereiten. Und das ist nur ein Teil der Geschichte. Denn anders als Straßenschuhe müssen es sich Kletterschuhe nicht nur gefallen lassen, dass man auf ihnen steht. Sobald es zu Hooks kommt, müssen sie auch kräftig ziehen können.

Form folgt Funktion

Ob nun Minileisten, Reibungstritte oder Hooks: In jedem Fall spielt die richtige Passform eine zentrale Rolle. Deshalb ist es schwer, eine Pauschalaussage darüber zu treffen, wie ein idealer Kletterschuh gebaut sein muss. Dafür sind die Füße jedes Menschen zu unterschiedlich. Die allgemeingültigste Aussage wäre deshalb wohl, dass derjenige Kletterschuh der beste ist, der zum eigenen Fuß passt – also straff sitzt, ohne zu schmerzen.

Es gibt allerdings Eigenschaften, die einen bestimmten Schuh für einen bestimmten Einsatz prädestinieren. So sind Schuhe mit starkem Downturn eher darauf ausgelegt, auf kleinen Tritten zu stehen als flächig anzustellen, wie es beispielsweise auf Platten gefordert sein kann. Ein Schuh mit einem eher geraden Schnitt, also ohne Downturn, ist hingegen eher für Routen geeignet, die größere Trittmöglichkeiten bieten und nicht übermäßig überhängend sind, weil es schwerer ist, mit einer normal geformten Sohle Zug auf Tritte zu bringen. Bei Hooks kommen noch weitere Eigenschaften zum Tragen.

Der richtige Schuh für Heel-Hooks

Mit seiner voll gummierten Ferse und dem Patch auf dem Spann soll der Scarpa Instinct VS ein Hook-Experte für alle Lagen sein.


Wie in den vorherigen Teilen der Hook-Serie erklärt, wird beim Heel-Hook die Ferse hinter eine Kante oder einen Griff gelegt, um die Hände zu entlasten oder den Körper zu stabilisieren. Den Kletterschuh stellt das gleich vor mehrere Herausforderungen. Zum einen muss er so designt sein, dass er auch an kleinen Strukturen Halt findet. Gerade am Fels liegen Hooks häufiger nur auf Reibung, eine gummierte Ferse ist da von Vorteil. Zum anderen darf der Schuh nicht zu locker sitzen, damit der Hook sicher hält und der Fels nicht die Funktion eines Schuhausziehers übernimmt.

Bei den meisten heute im Verkauf erhältlichen Modellen zieht sich der Sohlengummi über die Ferse, vereinzelt findet man aber noch Schuhe, deren Gummi wie bei einem Straßenschuh mit der Fußsohle endet. Wie die Gummierung im Detail aussieht, hängt vom Hersteller und Modell ab. Ob es sich aber um eine geriffelte Oberfläche wie bei Mad Rock, eine tennisballartiger Komplettgummierung wie bei einigen Scarpa-Schuhen oder die herstellerübergreifend verwendete Kombi aus einem einige Zentimeter nach oben gezogenen Randgummi und einer verlängerten Sohle handelt, macht keinen übermäßigen Unterschied. Für Hooks sind der größte Teil der aktuellen Kletterschuhe im Prinzip geeignet. Wichtig ist aber auch hier die Passform. Sitzt die Ferse nicht fest im Schuh, hilft das beste Design nicht.

Pauschalempfehlungen sind bei diesem Thema ebenfalls schwer. Weil jede Ferse etwas anders geformt ist, kann der Lieblingsschuh des einen Kletterers beim nächsten ungemütlich drücken oder zu locker sitzen. Das ist ein weiterer Grund, warum du Kletterschuhe unbedingt anprobieren solltest, bevor du dich endgültig für den Kauf entscheidest. Achte vor allem darauf, dass die Ferse des Schuhs gut ausgefüllt ist. Bleibt Platz zwischen Fuß und Material, wird das Gefühl beim Hooken schlechter ausfallen. Such dir außerdem jemanden, der versucht, dir den geschlossenen Schuh über die Ferse auszuziehen. Gibt dein Wunschmodell dabei merklich nach oder rutscht von der Ferse, ist es noch zu groß oder sitzt generell nicht gut.

Kletterschuhe für Toe-Hook-Experten

Ein wenig anders sieht es beim Thema Toe-Hooks aus. Hier gehen die Hersteller verschiedene Wege. Manche Modelle wie der La Sportiva Mythos sind kaum für diesen Einsatz gedacht, während andere wie der Solution aus gleichem Hause oder der Scarpa Instinct VS mit einem großen Gummi-Patch auf dem Spann geradezu dafür gemacht zu sein scheinen. Viele Schuhe gehen den Mittelweg und bieten eine bis über den großen Zeh gummierte Zehenbox, lassen den übrigen Spann aber frei. Das dürfte vor allem dem Tragekomfort geschuldet sein, weil eine großflächige Gummierung kaum nachgibt und der Schuh sich dem Fuß weniger gut anpassen kann.

Mein treuer Scarpa Vaper V (oben) ist nach Jahren vom Toe-Hook-Einsatz sichtlich mitgenommen. Im Gegensatz zum nur wenige Monate alten Simond Vertika ist im Bereich des Umlenkers aber noch alles in Ordnung. Der unterschiedlichen Positionierung sei Dank.

Ein gummierter Spann ist allerdings kein Muss, um solide Toe-Hooks legen zu können. Auch Wildleder oder Stoff können beim Kontakt mit Fels oder Plastik für guten Grip sorgen. Nur um die Haltbarkeit ist es dann schlechter bestellt. Wer häufiger mit dem Spann den Wandkontakt sucht und dabei gelegentlich auch abrutscht, muss irgendwann mit einem Loch im Obermaterial leben. Bei Schnürschuhen steht vorher allerdings der Tausch der Senkel an.

Wenn du einen Schuh suchst, der besonders gut für Toe-Hooks geeignet ist, solltest du deshalb eher nach Slipern oder Klettverschlussmodellen schauen. Bei letzteren wäre wichtig, dass der untere Verschluss ein paar Zentimeter von den Zehen entfernt und dessen Umlenkung auf der Außenseite des Schuhs liegt. Andernfalls reibt das Klettband schneller durch. Gleichzeitig ist es von Vorteil, wenn du die Zehen noch ein wenig bewegen kannst. Das erlaubt es dir, sie anzuziehen und so nach der zu hookenden Struktur zu „greifen“. Hilfreich ist außerdem, wenn der Spann nicht allzu abschüssig ausfällt. Gleicht dieser einer Banane, wird es wesentlich schwerer, Halt zu finden.

Einer für alles ist schwer zu finden

Einen Schuh zu finden, der alle Eigenschaften vereint, kann schwierig sein. Deshalb gilt es abzuwegen, wofür du den Schuh hauptsächlich nutzen willst. Suchst du einen Spezialisten für Toe-Hooks, ist es eventuell nicht dramatisch, wenn die Ferse nicht perfekt sitzt. Soll es hingegen ein Allrounder sein, würde ich eher auf eine gut sitzende Ferse achten. Einfach deshalb, weil kräftige Heel-Hooks im Boulderalltag häufiger als knifflige Toe-Hooks auftreten. Einen Schuh mit lockerer Ferse würde ich deshalb eher im Regal liegen lassen als einen, der dank eines stark geneigten Spanns oder Schnürsystems nicht so gut fürs Einhaken der Zehen geeignet ist.

Weitere Teile dieser Serie:

Der Fuß als Anker (Teil 1): Wie man Heel-Hooks richtig legt
Der Fuß als Anker (Teil 2): Mehr Kraft und Beweglichkeit für Heel-Hooks
Der Fuß als Anker (Teil 3): Toe-Hooks – wenn die Zehen ziehen sollen
Der Fuß als Anker (Teil 4): Mehr Kraft und Beweglichkeit für Toe-Hooks
Der Fuß als Anker (Teil 5): Was ein Schuh für Hooks bieten muss

4 Gedanken zu „Der Fuß als Anker (Teil 5): Was ein Schuh für Hooks bieten muss

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