Wenn man Boulderer beim Weltcup bei Doppel- und Dreifachdynos an der Wand entlang fliegen sieht, könnte man fast den Eindruck gewinnen, eine ordentliche Portion Explosivkraft in den Armen und herausragende Koordination wären das Wichtigste. Im Kletteralltag zählt das, was die Füße machen, tatsächlich deutlich mehr. Eine gute Fußtechnik ist eine der wichtigsten Säulen starker Kletterer und Boulderer. Zeit also, den Blick auf die unterste Region des Körpers zu richten.
Steigen statt ziehen
Für jeden, der sich auch nur einmal mit den Grundlagen guter Klettertechnik beschäftigt hat, ist es eine Binsenweisheit: Geklettert wird nicht aus den Armen, sondern aus den Beinen. Oder anders gesagt: Aufgabe des Unterkörpers ist es, den Großteil des Gewichts zu tragen und uns beim Klettern von Griff zu Griff zu schieben, während die Arme vor allem dafür sorgen sollen, dass wir dabei nicht aus der Wand kippen. Sie dienen im Idealfall also nur der Stabilisierung. Abhängig von der Neigung des Klettergeländes stimmt das mal mehr, mal weniger. Je steiler es wird, desto höher fällt der Arbeitsanteil des Oberkörpers aus, grundsätzlich bleibt die Aussage aber richtig.
Der Grund dafür ist ziemlich offensichtlich. Unsere Beine sind kräftig und ausdauernd, während unsere Arme in der heutigen Zeit selten mehr als ihr eigenes Gewicht bewegen müssen. Ohnehin sind sie nicht dafür ausgelegt, längere Zeit große Lasten zu tragen. Deshalb ist es nahezu immer anstrengender, einen Boulder zu hangeln, als ihn unter Fußeinsatz zu klettern. Dafür, dass unsere Beine ihre Vorteile ausspielen können, muss jedoch der Kontakt zwischen ihnen und der Wand stimmen.
Die Kraftübertragung übernehmen die Füße. Damit das gut klappt, wurden in den letzten Jahrzehnten immer neue technische Lösungen entwickelt, die dem Kletterer das Leben erleichtern. Moderne Kletterschuhe unterstützen den Fuß und bieten mit ihrer speziellen Sohle selbst auf kleinen Tritten sicheren Halt. Doch auch der beste Schuh bringt wenig, wenn es dem Träger an der notwendigen Präzision fehlt, die Füße sauber zu setzen. Wie gut das bei dir funktioniert, ist zum Teil eine Frage der Übung, hat aber auch damit zu tun, wie viel Aufmerksamkeit du der richtigen Technik schenkst.
Wie schlechte Fußtechnik aussieht und wie es besser geht
Das beginnt bereits damit, wie du antrittst. Einsteiger, die sich oft stärker auf die Hände konzentrieren, stehen viele Tritte auf dem Mittelfuß oder dem Fußballen. Besser wäre es allerdings, die Fußspitze, den Innen- oder den Außenrist einzusetzen. In leichten Bouldern und Routen funktioniert es auch anders, denn die Tritte sind groß und bieten selbst schlecht gesetzten Füßen Halt. Werden die Trittflächen kleiner, ist das jedoch keine Option mehr, weil der Fuß andernfalls abrutscht. Aber nicht nur deshalb ist es eine gute Idee, wenn du frühzeitig großen Wert auf eine gute Fußpositionierung legst.
Wer auf dem Mittelfuß oder Ballen steht, schränkt die eigene Bewegungsfreiheit ein – egal wie groß oder klein die Tritte sind. Am einfachsten nachzuvollziehen ist das beim Thema Reichweite. Musst du einen weiter entfernten Griff erreichen, kannst du deine Körperlänge nur ausspielen, wenn du auf den Zehenspitzen stehst. Dann lässt sich das Sprunggelenk problemlos strecken. Wird auf dem Mittelfuß gestanden, klappt das nicht.
Ähnlich sieht es aus, wenn der Fuß für einen Zug auf dem Tritt gedreht werden muss. Beim mittig aufgesetzten Fuß stößt die Fußspitze an die Wand und hebelt den Fuß vom Tritt, während die Drehung auf den Zehen keine Probleme macht.
Was präzise Fußtechnik mit der Hüfte zu tun hat…
Wie sauber das Antreten klappt, hängt in vielen Fällen davon ab, wie gut es dir gelingt, den Körper stabil an der Wand zu positionieren. Nach Möglichkeit sollte der weiterzusetzende Fuß völlig entlastet sein, bevor du ihn vom Tritt löst, um ihn neu zu setzen. Gute Fußtechnik hat deshalb auch mit der Verlagerung des Körperschwerpunkts – also der Hüfte – zu tun. Oft bedeutet das, dass der Körper erst einmal zwischen den anderen Kontaktpunkten ausbalanciert werden muss. Klappt das nicht, kippt der Körper direkt nach dem Anheben des Fußes in dessen Richtung. Das macht es nötig, entweder an der Wand zwischenzutreten oder mit Tempo auf den nächsten Tritt zu ziehen. Für gewöhnlich handelt es sich dabei um eine geräuschvolle Lösung, weshalb es heißt, schlechte Fußtechnik könne man nicht nur sehen, sondern auch hören.
…und wie man sie trainieren kann
Eine der üblichen Übungsempfehlungen zur Verbesserung der Fußtechnik ist deshalb das Leisetreten. Wie der Name schon nahelegt, ist es hier das Ziel, Boulder möglichst geräuschlos zu klettern. Besonders nützlich ist das für jene Klettereinsteiger, die ihre Füße häufig schwungvoll zum nächsten Tritt werfen, weil sie keine Zeit „verschwenden“ wollen. Wer Leise treten will, muss sich Zeit nehmen, um nach stabilen Körperpositionen zu suchen und bewusst anzutreten. Am Ende ist das in vielen Fällen sogar kraftsparender, weil du dir sicher sein kannst, gut zu stehen, deshalb mehr Gewicht auf die Füße bringst und noch dazu darauf verzichten kannst, an den Armen hängend die Fußposition nachzujustieren, weil es nicht weitergeht.
Warum schlecht sitzende Schuhe eine schlechte Fußtechnik begünstigen
Gewöhnst du dir außerdem an, beim Treten genau hinzusehen, wird die Fußtechnik immer seltener der Grund sein, warum du auf der Matte landest. Ein Hindernis gibt es aber gerade am Anfang immer noch: schlechtes Schuhwerk. Kletterschuhe sollten den gesamten Fuß eng umfassen, was einerseits hilft, Kraft auf die Tritte zu bringen und andererseits ein besseres Feedback darüber bietet, wie gut der Fuß hält. Bei Leihschuhen, wie sie Kletterneulinge bei ihren ersten Versuchen an der Boulderwand tragen, ist das selten der Fall. Die Schuhe sind ausgetreten und unterstützen den Fuß kaum, selbst wenn sie so eng sitzen, dass sie drücken. Um die Haltbarkeit zu verbessern, verwenden die Hersteller außerdem eine dickere und festere Sohle. Das mindert Halt und Trittgefühl. Dadurch kann es sich am Ende sicherer anfühlen, auf dem Mittelfuß oder den Ballen zu stehen. Besonders dann, wenn man einen zu großen Schuh gewählt hat, was für viele Einsteiger normal ist.
Macht sich dieses Gefühl breit, solltest du dir einen kleineren Schuh oder ein Modell eines anderen Herstellers geben lassen. Passt dieser besser, ist es eine gute Idee, sich Hersteller und Größe zu merken, um immer wieder in einem vergleichbaren Schuh zu klettern. So musst du dich nicht immer wieder neu eingewöhnen. Am besten ist es natürlich, wenn du dir nach ein paar Session ein eigenes Paar anschaffst und so zumindest sicher sein kannst, dass sich dein Schuh auch nur auf deinen Fuß anpasst.