Ich muss ehrlich zugeben, dass ich die Geschichte anfangs für einen Scherz gehalten habe, als die ersten Minuten des neuen „Klettervideos“ von Johnny Dawes über meinen Bildschirm flimmerten. Ein Grund dafür mag sein, dass ich Dawes vorher nicht kannte, obwohl dieser Mann in den 80ern eine Größe des britischen Klettersports war. Ganz sicher lag es aber auch daran, dass ich mir kaum vorstellen konnte, dass jemand allen Ernstes versucht, Kletterrouten freihändig hochzumarschieren. Johnny Dawes macht aber genau das – und wir sollten ihm möglicherweise hin und wieder nacheifern.
Es hat mehrere Gründe, warum der Brite diesem Hobby frönt. Im Video sagt er unter anderem, für ihn wäre der Leistungsgedanke beim Sport „Bullshit“. In etwas besser zu sein als jemand anderes, habe keinen Wert. Interessanter sei es, etwas völlig Neues zu probieren. Außerdem gefalle ihm das Verschrobene an der Idee, ohne Hände zu klettern, was er mit dem Sammeln von Briefmarken vergleicht. Langweilig, aber glücklich.
Dass Airwalking – so der inoffizielle Name dieser Spielart des Kletterns – langweilig ist, wage ich an dieser Stelle mal zu bezweifeln. Es gehört schon einiges dazu, sich freihändig eine mehrere Meter hohe, liegende Wand hinaufzuarbeiten. Zumal derartige Platten schon beängstigend sein können, wenn man alle vier Gliedmaßen verwendet. Dawes kümmert das nicht und er macht dabei eine nicht immer elegante, aber mit Sicherheit beeindruckende Figur:
Wie gesagt, man könnte das natürlich als reine Spinnerei ansehen, die ohnehin keine Zukunft hat. Als kommenden Trendsport schätze ich diese Geschichte auch nicht ein. Man sollte Dawes Idee aber nicht gänzlich abtun. Genau genommen gibt es wohl keine bessere Übung für die Fußtechnik, den Gleichgewichtssinn, die Hüftbeweglichkeit und die Präzision, als diese Art zu klettern. Ich sage nicht, dass man es ihm gleichtun und meterhohe Wände ohne die lieben Finger hochwandern soll. Wer allerdings ein besserer Kletterer oder Boulderer werden will, kann mit solchen Spielereien definitiv sehr gut an der eigenen Technik feilen.
Ins Grüne muss man dafür nicht. In den meisten Hallen gibt es liegende Wände, an denen es möglich ist, freihändig hochzuschleichen. Definierten Routen würde ich dabei nicht unbedingt folgen. Zum Anfang genügt es auch, die besten Tritte zu nutzen und so Meter um Meter zu machen. Probiert habe ich das schon ein paar Mal und eines ist Fakt: Es ist alles andere als einfach. Wäre es das, wäre es aber auch kein so gutes Training. Gleichzeitig macht es natürlich auch ohne Ende Spaß, weil man sehr genau auf den eigenen Körper hören muss und weil es eine völlig neue Herausforderung ist.
Mein Plädoyer fürs nächste Training lautet also: Freunde schnappen und einmal airwalken, bitte!