Wenn du in den letzten Jahren Informationen zu günstigen Kletterschuhen gesucht hast, bist du mit Sicherheit auch auf das Modell Rock von Simond gestoßen. Der Schuh wird von Decathlon für gerade einmal 35 Euro verkauft und soll Anfängern alles bieten, was diese sich wünschen könnten. Allein der Preis ist schon eine Ansage, die meines Wissens aktuell kein anderer Hersteller unterbietet. Was man für dieses Geld erwarten kann, habe ich in den letzten Monaten im Praxistest herausgefunden.
Einsatz im leichten Gelände
Eines vorweg: Weil der Rock bereits der dritte Schuh von Simond ist, über den ich hier schreibe, möchte ich dem Eindruck vorbeugen, ich könnte in einer geschäftlichen Verbindung mit dem Hersteller oder Decathlon stehen. Dem ist nicht so. Auf Simond bin ich eher zufällig aufmerksam geworden und war vom damals noch erhältlichen Modell Vuarde Tech positiv überrascht. In den letzten Jahren sind ein Edge und ein Vertika dazu gekommen, wobei letzterer mich nur unter Vorbehalt überzeugen konnte und fast dazu gebracht hätte, mein Glück noch einmal bei Scarpa oder La Sportiva zu versuchen.
Dass der Rock als ausgewiesener Einsteigerschuh seinen Weg in meine Sammlung gefunden hat, ist meiner Arbeit als Klettertrainer geschuldet. Weil ich an manchen Tagen bis zu vier Stunden am Stück in den Kletterschuhen stecke, habe ich nach einem halbwegs bequemen Schuh gesucht, in dem ich leichte und mittelschwere Boulder klettern kann, ohne ständig die Schuhe an- und ausziehen zu müssen. Gleichzeitig sollte er nicht teuer sein, weil auch solche Routen die Lebenszeit der Sohle verkürzen. Ein Performance-Schuh im Kurseinsatz erschien mir weder vom Anspruch noch von den Kosten her sinnvoll.
Vorteile bei der Passform
Ausschlaggebend für den Simond Rock war am Ende aber nicht nur der Preis, sondern auch das Schnürsystem. Andere günstige Kletterschuhe (auch von Simond) sind mit Klettverschlüssen ausgestattet, mit denen sich meist nur der obere Teil des Spanns zuzuziehen lässt. Für vernünftige Klettereigenschaften ist es aber wichtig, dass der Schuh den Fuß auch im Bereich der Zehen fest umfasst. Ein Schnürer ist hier klar im Vorteil. Wenn die Schürung weit genug nach vorn reicht – das ist hier der Fall – , kann der Schuh bis zum Zehenansatz fest zugezogen werden.
Beim Rock klappt das mit Einschränkungen recht gut. Weil die Aussparung im Obermaterial breit und der verwendete Stoff recht steif ist, fehlt es im Bereich des Zehenansatzes an Flexibilität. Hat man einen flachen Fuß, kann es deshalb sein, dass der Schuh hier ein wenig lockerer bleibt. Am Ende sitzt er vermutlich aber auch so besser als andere Einsteigermodelle, bei denen ein oder zwei Klettverschlüsse für Halt sorgen sollen.
Grundsätzlich ist der Rock auf Tragekomfort ausgelegt. Der Schuh besitzt einen nahezu symmetrischen Leisten, ist also nicht so geschnitten, dass die Zehen in Richtung des großen Zehs gedrängt werden. Gleichzeitig ist die Zehenbox geräumig. Ähnlich sieht es an der Ferse aus. Während diese bei anderen Kletterschuhen stark gewölbt ist, was das Material gegen die Achillessehne drücken lässt, setzt Simond beim Rock auf einen geraden Schnitt. Wer diesen Treter tragen will, muss folglich weder vorn noch hinten schmerzhafte Enge fürchten. Auch auf den bei aggressiveren Modellen üblichen und gewöhnungsbedürftigen Downturn der Sohle, der Performance-Schuhen ihre typische Bananenform verleiht, wurde verzichtet.
Trotzdem würde ich den Schuh nicht gerade als Fußschmeichler bezeichnen. Das aus Baumwolle gefertigte Material ist recht rau und ein weiches Futter auf der Innenseite fehlt. Willst du barfuß klettern, musst du dich also darauf einstellen, dass es reiben könnte. Meine Empfehlung wäre dementsprechend, dünne Sneaker-Socken zu tragen, um dem vorzubeugen. Praktischerweise schützt das auch vor dem Mief, den Schuhe von Barfußkletterern für gewöhnlich entwickeln.
Solide, aber keineswegs makellose Verarbeitung
Dass Simond auf ein Innenfutter verzichtet hat, dürfte eine der Maßnahmen gewesen sein, um den Preis des Schuhs zu drücken. Auch die Verarbeitung ist nicht perfekt. Bei meinem Paar ist der komplette Übergangsbereich zwischen Gummi und Stoff mit einer Bahn überschüssigem Kleber bedeckt, was ich so noch bei keinem anderen Schuh gesehen habe. Allerdings geht das als optischer Makel durch. Ansonsten zeigen die Nähte und Klebestellen des Rock nach einem halben Jahr allwöchentlichem Einsatz keine Schwachstellen. Sorgen, dass der 35-Euro-Kletterschuh sich frühzeitig in seine Bestandteile auflöst, habe ich deshalb nicht – und das ist meiner Meinung nach in dieser Preisklasse entscheidend. Wer mit seinem Schuh einen Style-Wettbewerb gewinnen will, muss so oder so tiefer in die Tasche greifen.
Gute Haltbarkeit, mäßiges Trittgefühl – Vor- und Nachteile einer harten Sohle
Gespart wurde vermutlich auch an der Sohle. Weder Simond noch Decathlon machen nähere Angaben zur Gummimischung, was die Verwendung eines namhaften Materials quasi ausschließt. Das bestätigt sich auch beim Trittgefühl und den Reibungseigenschaften. Beim Rock spürt man zwar, einen Tritt unter den Füßen zu haben, bekommt darüber hinaus aber wenig Feedback über den Halt. Das legt die Vermutung nahe, dass Simond eine eher harte Mischung verwendet. Dafür spricht auch, dass die Reibung im Vergleich zu einer Vibram XS-Sohle wie beim Simond Edge schlechter ausfällt. Mich hat es bei meinen ersten Kletterversuchen mit dem Rock auch prompt von ein oder zwei Tritten gewedelt, die ich sonst sicher gestanden hätte.
Dieser etwas ernüchternde Start blieb allerdings eine Ausnahme. Nachdem ich den Schuh eingetragen habe, stehe ich mittlerweile auf größeren und kleineren Tritten genauso wie auf Reibung sicher – mit der Einschränkung, dass es sich nicht immer so gut anfühlt, wie ich es mir wünschen würde und gewöhnt bin. Einsteiger muss das aber nicht abschrecken. Weil sich leichtere Boulder und Routen für gewöhnlich durch große Tritte auszeichnen, findet man auch so soliden Halt.
Abgesehen davon bietet eine härtere Sohle Vorteile bei der Haltbarkeit, weil der Abrieb geringer ausfällt. Rezensionen auf der Decathlon-Seite, die über nach kurzer Zeit auftretende Löcher berichten, kann ich nicht bestätigen. Vermutlich ist hier eher schlechte Fußtechnik als das günstige Material verantwortlich. Mein Paar Rock zeigt die für die Einsatzzeit üblichen Abnutzungserscheinungen: Die Sohlenkante im Bereich des großen Zehs ist etwas abgerundet, sieht ansonsten jedoch so aus, als wäre genug Material für die kommenden Klettermonate vorhanden.
Allrounder ohne besondere Stärken
Etwas überraschend: Zur Unterstützung des Fußes trägt die harte Sohle wenig bei. Der Rock gibt beim Antreten leichter nach, als es hochpreisigere Schuhe tun. Das macht ihn ebenfalls bequemer, erschwert es aber, auch kleinste Tritte zu nutzen. Muss auf Reibung gestanden werden, ist das wiederum vorteilhaft. Zum Experten in dieser Disziplin wird der Schuh trotzdem nicht. Dafür hätte die Sohle griffiger ausfallen müssen.
Der Eindruck, dass der Rock ein wenig von allem bietet, aber nirgendwo heraussticht, setzt sich auch beim Thema Hooks fort. Sind diese nicht übermäßig fordernd, erledigt der Treter seinen Job. Wird die zu hookende Kante klein oder muss viel Kraft aufgebracht werden, gerät er jedoch an die Grenzen. Hier rächt sich die bequem geschnittene Ferse, die den Fuß weniger straff umschließt. Zieht man energisch, kann der Rock durchaus flöten gehen. Immerhin: Simond-Schuhe haben meiner Erfahrung nach Probleme mit der Verklebung des Fersengummis, weshalb dieser bei aggressiven Hooks abreißen kann. Hier ist das nahezu ausgeschlossen. Vorher verabschiedet sich der Schuh vom Fuß.
Bei Toe-Hooks steht das nicht zu befürchten. Sonderlich anspruchsvoll dürfen diese dennoch nicht werden. Zwar lassen sich die Zehen gut anziehen, die Tritte also regelrecht greifen, der Spann des Schuhs ist aber nur teilweise gummiert und bietet damit mäßigen Halt. Und natürlich teilt der preisgünstige Modell das Schicksal aller Schnürer: Toe-Hooks ziehen die Schnürsenkel in Mitleidenschaft, weshalb diese früher oder später getauscht werden müssen.
Kaufen oder liegen lassen?
Alles in allem klingt das möglicherweise nicht allzu berauschend. Es stellt sich aber die Frage, was man zum Einstieg tatsächlich benötigt. Sind krasse Hooks, winzige Tritte oder harte Reibungskletterei in Anfängerrouten zu erwarten? Eher nicht. Dafür hapert es im Normalfall bei der Fußtechnik, weshalb der Schuh viel häufiger mit der rauen Wand Kontakt haben wird, als es gesund ist.
Sich für einen günstigen Schuh mit soliden Eigenschaften zu entscheiden, ist dann sinnvoller, als das Geld in eine High-End-Waffe zu investieren, die das dreifache kostet, aber ähnlich schnell runtergeritten sein wird. Hinzu kommt, dass man als Einsteiger erfahrungsgemäß ohnehin zu einem zu großen Modell greift und in einem auf Performance getrimmten Kletterschuh mehr Schmerzen als Spaß hat. Für die ersten Schritte in den Klettersport – sei es bouldernd oder am Seil – scheint mir der Simond Rock also gut geeignet. Bist du hingegen länger dabei und hast das nötige Kleingeld, ist der Spaßfaktor mit einem teureren Modell wahrscheinlich höher.
Gekauft habe ich mir den Simond Rock übrigens in meiner Straßenschuhgröße und bin damit gut gefahren. Weil der Schuh etwas knapper ausfällt, empfiehlt Decathlon sogar, ihn eine Nummer größer zu wählen. Ich fürchte allerdings, dass Heel-Hooks dann zu einem Ding der Unmöglichkeit werden. Zumindest für Boulderer ist das also keine Option.
Erhältlich ist der Simond Rock exklusiv bei Decathlon über den Online-Shop* oder in den Filialen das Sportausstatters.
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2 Gedanken zu „Simond Rock im Test: Was taugt der Kletterschuh für 35 Euro?“