Ende vergangenen Jahres habe ich einen Artikel zum Thema Klettern in der Stadt – auch als Buildering bekannt – veröffentlicht. Darin ging es nicht nur um die Geschichte dieser Spielart des Vertikalsports, sondern auch um die heutige Szene. Einer der wichtigsten Vertreter in Deutschland dürfte Tim Jacobs sein, der mit seiner Webseite buildering-spots.de einen Anlaufpunkt für Aktive und Interessierte geschaffen hat. Jüngst hatte ich Gelegenheit, mich mit Tim über sein Projekt, den Reiz des Sports und seine Tipps für Neulinge auszutauschen.
[GKB] Hallo Tim, in meinem Artikel zum Thema Buildern habe ich deine Webseite buildering-spots.de schon empfohlen und die Leser ein wenig in das Thema eingeführt. Mit deiner Person dürften trotzdem nur die wenigsten vertraut sein. Zum Start wären also sicher ein paar Infos zu dir und seinem Verhältnis zu unser aller Hobby interessant.
[Tim] Mein Name ist Tim Jacobs. Ich habe schon während der Schulzeit entdeckt, das Klettern für mich ganz einfach DER Sport ist! Das war vor über 18 Jahren. Aus der ersten kleinen Kletterhalle bei mir und die Ecke (damals gab es nur wenige Hallen und ich war glücklich wenigstens ein paar Quadratmeter Kletterwand in meiner Stadt zur Verfügung zu haben), habe ich mich nach einiger Zeit dann nach draußen getraut und habe auch das Klettern am Felsen zu genießen und zu lieben gelernt.
[GKB] Also eine klassische Kletterkarriere, wie sie mittlerweile dank des Hallenbooms ganz normal ist. Warum ist es nicht bei Plastik und Fels geblieben? Wie bist du zum Buildern gekommen?
[Tim] Mit dem Beginn des Studiums bin ich in eine andere Stadt gezogen, sodass ich die Vorteile des Lebens im Elternhaus nicht mehr länger in Anspruch nehmen konnte. Konkret bedeutete das: kein Auto mehr vor der Tür, mit dem man einfach ein paar (hundert) Kilometer ins nächste Klettergebiet fahren konnte, um sich auszutoben. Ein paar Kommilitonen haben mich dann einfach mal zum Buildering mitgenommen, nachdem ich sie zuerst recht schräg angeschaut hatte, als sie mir davon erzählten – das war etwa vor 11 Jahren. Seitdem hat mich auch Buildering fasziniert. Nachdem ich einige Male zusammen mit Freunden unterwegs war und ein paar Spots kennengelernt hatte, habe ich angefangen, die Spots und Routen zu dokumentieren. Daraus ist dann letztlich ein Buch zum Klettern an Gebäuden in Mainz und Wiesbaden geworden, der Builderingführer Mainz/Wiesbaden. (Anmerkung: Ist für Interessierte auf www.enziano.com zu finden)
Auch heute klettere ich noch ganz normal in der Halle oder genieße das Klettern am Fels (ich habe auch wieder ein Auto zur Verfügung ;-)). Buildering ist für mich ganz einfach eine zusätzliche attraktive Variante des Kletterns.
[GKB] Was macht den Reiz für dich aus?
[Tim] Reizvoll am Buildering sind für mich die verschiedensten Gesteinsarten und anderen Materialien wie Metall oder Stahl, die man zum Klettern vorfindet. Was unmittelbar damit zusammenhängt, sind die vielseitigen Anforderungen an mich als Kletterer und Boulderer. Jeder, der schon mal gebuildert ist, weiß, wovon ich spreche! Das reicht von Gleichgewichtsproblemen an geraden Wänden mit kleinen Leisten über Verschneidungsklettern bis zu kräftigen überhängenden Henkelrouten, wenn man zum Beispiel in einem Brückenbogen klettert. Dazu kommt noch, dass man nicht weit fahren muss und das Buildern trotzdem im Freien und an der frischen Luft genießen kann.
Kurz: Man sollte es einfach mal ausprobiert haben!
[GKB] Was würdest du Einsteigern empfehlen? Einfach loslegen oder vorher doch mal eine Kletterhalle besuchen?
[Tim] Was einem beim Buildering hilft, ist sicherlich ein bisschen Vorwissen sowie Kraft und Technik vom Klettern oder Bouldern. Es kommt meist sehr individuell auf den Spot an und die Wand, an der man klettert. Ohne schon mal gebouldert und geklettert zu sein, würde ich nicht empfehlen zu buildern. Andersherum denke ich aber, das jeder der bouldert oder klettert auch genau diese Kenntnisse zum Buildering einsetzen kann.
[GKB] Und aus rechtlicher Sicht? In Deutschland wird ja gern und viel reglementiert. Von Köln weiß ich zum Beispiel, dass es eigentlich nicht erlaubt ist.
[Tim] Das ist von Stadt zu Stadt unterschiedlich. Um sich grundsätzlich zu informieren, gibt es auf www.buildering-spots.de die Rubrik „Gesetzeslage“, in der darauf eingegangen wird.
[GKB] Die Ordnungshüter sind das eine. Viel häufiger dürfte man es in der Stadt natürlich mit Passanten zu tun bekommen. Welche Erfahrungen hast du damit über die Jahre gemacht?
[Tim] Zu meiner Überraschung ausschließlich eine sehr positive! Ich buildere bereits seit vielen Jahren, wurde auch schon von vielen Passanten beobachtet, angesprochen und natürlich auch mit kritischen Kommentaren konfrontiert. Wenn ich dann aber aufklärend und freundlich geantwortet
habe, blieb meist nur noch Begeisterung oder zumindest Interesse übrig. Ich denke, Buildering ist noch so „neu“, dass man hier noch etwas Arbeit investieren sollte, damit die Wahrnehmung des Sports im richtigen Licht erfolgt und als positiv aufgenommen wird.
[GKB] Hast du ein paar Ratschläge, wie man dazu beitragen kann?
[Tim] Probiert es aus, seid freundlich und selbstbewusst, wenn ihr von Leuten darauf angesprochen werdet, und achtet immer darauf, wie ihr mit dem Spot umgeht. Denkt immer daran, wenn Chalk oder Sohlenspuren hinterlassen werden, ist das kein positives Aushängeschild. Wenn ihr wiederkommen wollt, sollte man nicht sehen, dass ihr schon mal da wart. Detaillierte Infos findet ihr auch auf www.buildering-spots.de.
[GKB] Apropos Buildering-Spots.de: Wie ist es dazu gekommen?
[Tim] Weil Buildering Spots in Städten in der Regel nur einer kleinen Gruppe an Kletterern bekannt sind, dann aber leicht wieder verloren gehen und zusätzlich nicht in öffentlich zu kaufenden Kletterführern zu finden sind, habe ich die Seite www.buildering-spots.de entwickelt. Damit in anderen Städten etablierte Orte zum Buildering für andere Kletterer und Boulderer zugänglich sind, geteilt werden können und nicht verloren gehen, wenn jemand wegzieht oder nicht mehr aktiv ist.
[GKB] Dir ging es also darum, ein Online-Archiv zu schaffen. Kommt das gut an?
[Tim] Seit die Seite 2009 online gegangen ist, kommen immer mehr Spots dazu. Mittlerweile haben wir bereits über 150 in der Datenbank. Das sind 150 verschiedene eingetragene Orte, die selbst noch einmal mehrere Routen haben können. Diese sind überall in Deutschland verteilt. Das ist grandios! Ich bin selbst überrascht, wie viele Orte bereits bekannt und etabliert sind. Die Zugriffszahlen von www.buildering-spots.de und die vor einiger Zeit eröffnete Facebook-Gruppe zeigen die gleiche Begeisterung von Nutzern zum Thema. Das ist toll!
[GKB] Die Facebook-Gruppe hat ja bis dato fast 1.500 Follower gesammelt. Das spricht für eine gesunde Community. Gibt es da mittlerweile so etwas wie feste Gruppen, denen man sich anschließen kann? Für Neulinge wäre das sicher interessant…
[Tim] Es gibt in Deutschland in einigen Städten Gruppen, die immer mal wieder aktiv werden und auch kleine Events starten, wie zum Beispiel zuletzt in München. Auch über die Buildering-Spots-Facebook-Gruppe kann man mit vielen Leuten in Kontakt treten, die selbst aktiv sind und sich verabreden.
[GKB] Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Was ist dein Lieblingsspot?
[Tim] Weil die Spots alle so unterschiedlich sind, finde ich, dass sich jeder Spot lohnt, weshalb ich selbst aktuell keinen „Lieblingsspot“ habe. 😉
[GKB] Alles klar. In dem Fall werde ich wohl dringend selbst mal aktiv werden und eure Datenbank auschecken müssen. Danke, dass du mir Rede und Antwort gestanden hast und viel Erfolg für die Zukunft.