Samstagabend ging es in Innsbruck heiß her. Nachdem sich die Elite der europäischen Boulderszene schon seit Mittwoch die Finger wund geschrubbt hatte, um die Vorentscheide zu überstehen, wurde in der Alpenstadt ab 19.45 Uhr der Kampf um den europäischen Meisterschaftstitel ausgetragen. Sechs Herren und sieben Damen durften ihr Können an vier Bouldern präsentieren. Darunter waren natürlich Größen wie Jule Wurm, Anna Stöhr, Jan Hojer und Adam Ondra vertreten, die auch im weltweiten Konkurrenzkampf zu den Top-Athleten gehören und somit allesamt als Favoriten gehandelt wurden. Am Ende konnten sich die beiden Deutschen den Titel sichern.
Ondra glücklos
Für Jule Wurm und Jan Hojer war das jeweils der zweite große Titel in Folge, nachdem Wurm im vergangenen Jahr die Weltmeisterschaft für sich entscheiden konnte, während Hojer den Weltcup-Gesamtsieg holte. Für den amtierenden Weltmeister der Männer, Adam Ondra, verlief die Veranstaltung etwas glücklos. Seinen Flashversuch am ersten Boulder musste er abbrechen, weil die Fußspitze beim Pendeln nach einem dynamischen Zug eine wegdefinierte Wand touchierte. An diesem Punkt hatte er die größte Schwierigkeit des Problems bereits hinter sich und wäre sicher bis zum Top gekommen. Dieser kleine Fehler brachte ihn um einen soliden Vorsprung auf Hojer, der Boulder 1 nicht bezwingen konnte. An Boulder 2 zeigt sich dann das umgekehrte Bild. Hojer topte im ersten Versuch, während Ondra die Zone erst im fünften sichern konnte und anschließend abrutschte, ohne den Zielgriff in den Händen zu halten.
Beim dritten Boulder bissen sich beide erfolglos die Zähne aus, weil die Schrauber bei diesem Problem glasglatte Griffe an einer überhängenden Wand verwendet hatten, die nahezu jeden Zug mit wegrutschenden Füßen quittierten. Ondra hatte damit sichtlich Probleme und scheiterte jedes Mal bereits unter der Zone, die sich Hojer noch sicherte. Unmöglich war das Problem allerdings nicht, wie Stefan Scarperi zuvor zeigen konnte. Da der Italiener an allen anderen Problemen weniger Glück hatte, brachte aber auch das Hojers Triumph am Ende nicht mehr in Gefahr. Der Kölner meisterte den letzten Boulder im zweiten Versuch und verdrängte Ondra und Scarperi damit auf Rang 2 und 3. Spannend war es bis zu diesem Moment dennoch gewesen, da auch die anderen Männer immer wieder Bewegungen souverän lösten, bei denen Ondra und Hojer zu kämpfen hatten.
Wurm und Stöhr machen es unter sich aus
Bei den Damen bekam man derweil das Gefühl, die Schrauber hätten es etwas zu gut gemeint, als eine Finalistin nach der anderen erfolglos von den Bouldern abtropfte. Anna Stöhr und Juliane Wurm zeigten dann allerdings, dass sich auch diese harten Nüsse knacken lassen. Boulder 1 und 2, die bis zu diesem Zeitpunkt nicht bezwungen wurden, konnten von Stöhr im dritten und zweiten Versuch geklettert werden, während Wurm zwei Flashs kassierte. Mit Boulder 3 bekam dann auch das restliche Teilnehmerinnenfeld ein athletisches, aber machbares Problem serviert, das von Katharina Saurwein und Monika Retschy sogar im ersten Versuch geklettert wurde. Zur Überraschung der Zuschauer musste hier dafür sowohl Stöhr als auch Wurm zweimal ansetzen.
Daran, dass die beiden den Kampf um die Europameisterschaft unter sich ausmachten, änderte das allerdings nichts mehr. Nachdem die Österreicherin am vierten Problem scheiterte, war dann auch klar, dass ihr der dritte europäische Titel in diesem Jahr verwehrt bleiben wird. Wurm konnte entspannt an das Balanceproblem herangehen. Geholfen hat es am Ende nichts. Problem 4 der Damen blieb ohne Begehung, obwohl eigentlich alle Teilnehmerinnen mindestens einmal nur knapp scheiterten. Die Kombination aus schlechten Griffen, einem schlechten Tritt und Dynamik war einfach einen Tick zu hart, um sie innerhalb der knappen Zeitvorgabe zu meistern.
Wer sich selbst ein Bild der Probleme machen möchte, sei auf das oben eingebundene Video verwiesen. Dabei handelt es sich um den Mitschnitt des offiziellen Live-Steams, der zeigt, was der IFSC den Boulderern in diesem Jahr abverlangt hat. Knapp drei Stunden gute Unterhaltung sind damit quasi garantiert.