Effektives Training fürs Bouldern: Dieses Prinzip solltest du kennen

Wer stark werden will, muss richtig ranklotzen. Nach dem Training nicht völlig ausgepumpt zu sein, heißt, nicht genug investiert zu haben. Klingt einleuchtend, oder? Stimmt aber nicht. Weil trotzdem viele Sportler an Aussagen wie diese glauben, kämpfen sie sich zwar regelmäßig ab, limitieren ihre Fortschritte aber, weil sie am Ziel vorbeitrainieren. Das trifft auch auf Boulderer zu. Dabei muss man nur ein einfaches Prinzip berücksichtigen, um tatsächlich zielführend an der eigenen Leistungsfähigkeit arbeiten zu können.

Langstrecke laufen, um Sprinter zu werden?

In meiner Heimathalle kann ich es immer wieder beobachten: Sichtlich angepumpt kämpfen sich Boulderer die Wand entlang oder nach oben. Entweder, weil sie in kürzester Zeit alle Probleme einer Farbe oder eine möglichst lange Traverse klettern wollen. Fragt man nach dem Ziel, ist die Antwort meist: stärker werden, schwerer klettern. Das klingt erst einmal einleuchtend. Mit einer solchen Tour de Force bringt man die Muskulatur an ihre Grenzen. Wenn sie darauf nicht mit Anpassung reagiert, auf was dann?

Das tut sie, keine Frage. In vielen Fällen dürfte die Reaktion aber anders ausfallen, als man sich das vorgestellt hat. Denn sofern „stärker werden“ nicht mit einer verbesserten Kraftausdauer gleichgesetzt wird, sondern mit der Fähigkeit, schlechtere Griffe zu halten und schwerere Züge zu machen, hat das Training nicht den gewünschten Effekt. Ursache dafür ist, dass unser Körper sich immer auf genau die Anforderungen einstellt, die an ihn gerichtet werden. In der Trainingslehre spricht man in diesem Zusammenhang auch vom SAID-Prinzip. Die Abkürzung steht für Specific Adaptation to Imposed Demand, zu deutsch: Spezifische Anpassung an auferlegte Anforderungen. In alltagstaugliche Sprache übertragen könnte man auch sagen: Die Sache, die du gut können willst, musst du trainieren, um darin besser zu werden.

Eine Runde um den Block zu drehen, kann zwar ein gutes Training sein. Stärker wird man aber mit Blick auf die Maximalkraft nicht.

Spezifische Belastung = spezifische Anpassung

Wenn man kurz darüber nachdenkt, ist dieser Grundsatz vermutlich den meisten bewusst, selbst dann, wenn sie ihn nicht auf das eigene Training anwenden. Kaum jemand wird zum Beispiel glauben, dass ein guter Fußballer wird, wer ständig Kilometer um Kilometer joggt, aber nie Torschüsse übt, nie einen Ball passt oder den Zweikampf trainiert. Am Ende überzeugt derjenige möglicherweise mit toller Fitness, die für das Spiel notwendigen Skills fehlen aber. Was bleibt, ist ein guter Läufer.

Nun könnte man einwenden, wer wie oben beschrieben Meter an der Wand macht, trainiere spezifisch fürs Klettern und damit auch fürs Bouldern. Das wäre aber nur teilweise richtig, weil die Anforderungen beim Abspulen von Bouldern oder Klettern langer Traversen nicht mit dem typischen Profil des Boulderns übereinstimmen. Während diese Trainingsmethoden vor allem die Fähigkeit der Muskulatur schulen, über längere Zeit unter Sauerstoffentzug mit mittelmäßigem Krafteinsatz zu arbeiten, muss man in schweren Bouldern eher auf kurze Belastungen vorbereitet sein, die dafür vollen Einsatz vom Körper erfordern. Vorteile bringt das Traversentraining und Boulderspulen in Hinsicht auf die körperliche Fitness also eher jemandem, der vorhat, längere Routen abzuhaken. Sportkletterer dürfen sich hier angesprochen fühlen.

Wer schwer bouldern will, muss schwer bouldern

Das SAID-Prinzip verrät uns natürlich nicht nur, was im Bouldertraining weniger Sinn macht, es gibt auch vor, was sinnvoll ist. Aus dem Grundsatz, dass die Belastung zur gewünschten Anpassung passen muss, folgt, dass Kletterer, die schwer bouldern wollen, sich in erster Linie an kurzen, aber körperlich anspruchsvollen Linien abarbeiten müssen. Gleiches gilt auch für ergänzende Trainingsmethoden. Wer seine Fingerkraft verbessern will, indem er sich über Minuten an die Klimmzugstange hängt, wird keinen Erfolg haben. Eine auf Hypertrophie ausgelegte Repeater-Session am Griffbrett macht hingegen Sinn, weil die Belastung näher am Anforderungsprofil des Boulderns liegt.

Also kein Traversieren und Spulen für Boulderer?

Wie so oft gibt es auch hier ein kleines Aber: Es muss nicht grundsätzlich falsch sein, als Boulderer lange Traversen zu klettern oder Boulder zu spulen. Bei Letzterem kannst du beispielsweise deinen Durchhaltewillen schulen. Auch dann weiter zu klettern, wenn die Arme gepumpt sind und die Finger aufgehen wollen, erfordert mentale Stärke. Das ist zum Beispiel für Wettkampfboulderer interessant, die auch dann ihr Bestes geben können müssen, wenn sich nicht alles perfekt anfühlt. Traversieren empfehle ich hingegen zum Beispiel als Techniktraining, wobei weniger die Länge der Traverse, sondern der Abwechslungsreichtum der Bewegungen interessant ist. Grundsätzlich können also auch solche Methoden für Boulderer nützlich sein. Wichtig ist allerdings, dass die gewählten Mittel zum Ziel des Trainings passen.

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