Simond Vertika: Der Vuarde Tech-Nachfolger im Praxistest

simond-vertika-closeMit dem Vuarde Tech Slipper hat Simond einen günstigen Kletterschuh auf den Markt gebracht, der mich überraschen und weitestgehend überzeugen konnte, obwohl er zu einem Bruchteil des Preises normaler Performance-Schuhe zu haben ist. Leider wurde die Serie schon kurz nach meinem Erstkontakt und der Veröffentlichung meines Tests eingestellt, ohne dass ich mir – sehr zu meinem Bedauern – einen passenden Ersatztreter besorgen konnte. Umso größer war allerdings die Freude, als im Online-Shop des Simond-Vertriebspartners Decathlon die neue Vertika-Serie auftauchte. Ähnlicher Preis, bekannter Schnitt, leicht verändertes Design. Da habe ich mich nicht lange bitten lassen.

Vuarde Tech Slipper mit Velcros

Weil der neue Schuh meinen treuen Scarpa Vapor V ersetzen sollte und ich deshalb keine „Waffe“, sondern eher einen alltagstauglichen Allrounder wollte, fiel die Wahl dieses Mal auf die Variante mit Klettbändern. Der Vorteil liegt auf der Hand: Während ein Slipper durch seine Machart bedingt sehr eng sitzen muss, kann man bei Schuhen mit Klettverschluss etwas nachjustieren und den Treter ein wenig bequemer auswählen. Nachdem ich den Vuarde Tech in der 42 gekauft hatten (bei Straßenschuhgröße 44), liebäugelte ich deshalb mit einem 42,5er Vertika. Beim Anprobieren im Decathlon stellte ich allerdings fest, dass dieser sich auch in der 42 recht bequem anfühlt und dem Fuß gleichzeitig sicheren Halt bietet. Der direkte Vergleich zeigte dann, dass Schuhgrößen eben doch nicht immer identisch ausfallen.

So sehr können sich Größenangaben unterscheiden. Der Vertika und der Vuarde Tech jeweils in der 42.
So sehr können sich Größenangaben unterscheiden: Der Vuarde Tech und der Vertika jeweils in der 42.

Bei der Schnittform des Vertika scheint sich Simond etwas stärker am Vuarde Tech Slipper als am eigentlichen Vorgänger orientiert zu haben. Dieser kam von Haus aus ohne große Vorspannung aus, während das neue Modell beim Kauf doch eine leichte Bananenform vorzuweisen hatte. Wer einen bequemen Treter sucht, braucht den Vertika deshalb aber noch nicht abzuschreiben, denn davon ist bei meinem Paar nach ein paar Wochen nicht mehr allzu viel zu sehen. Die Form erinnert nun eher an einen normalen Routenkletterschuh, was sich überraschenderweise nicht spürbar auf das Trittgefühl ausgewirkt hat.

Die Ferse ist im Vergleich zu anderen Schuhen extrem gewölbt, zeigt sich beim Anziehen aber ebenso anpassungsfähig.
Die Ferse ist im Vergleich zu anderen Schuhen extrem gewölbt, zeigt sich beim Anziehen aber ebenso anpassungsfähig.

Schwerer wiegt für den Tragekomfort ohnehin die passende Fußform. Der Schuh ist im vorderen Bereich recht schmal und besitzt eine ausladende Ferse. Während letzteres auch bei Kletterern mit einer eher flachen Fußrückseite kein Problem zu sein scheint, könnten solche mit breiten Vorderfüßen Probleme bekommen. Ein asymmetrischer Leisten und eine sich nach vorn verjüngende Zehenbox versprechen ein gutes Trittgefühl, sorgen aber auch dafür, dass der Vertika nicht zum Hausschuh verkommt. Ob der eigene Fuß damit leben kann, verrät am Ende nur der Praxistest.

Beim Verschluss ist Simond dem alten Modell treu geblieben. Der Vertika wird von zwei von innen nach außen verlaufenden Klettbändern gehalten und besitzt eine zweigeteilte Zunge, die es erlaubt, den Schuh bis auf den Spann zu öffnen. Im Vergleich zum Slipper kann man deshalb sehr bequem hineinschlüpfen. Die Zunge selbst ist aus weichem Stoff gefertigt, während das Innere aus Wildleder besteht. Alles in allem eine angenehme Sache.

Auch auf kleinen und abschüssigen Tritten vermittelt der Vertika ein gutes Gefühl.
Auch auf kleinen und abschüssigen Tritten vermittelt der Vertika ein gutes Gefühl.

Performance: Ein Treter mit viel Gefühl

Nach den ersten Testläufen und einer etwas schmerzhafteren Eintragephase zeigt der Vertika das von mir erwartete Leistungsbild. Wie der Vuarde Tech Slipper bietet der Schuh ein tolles Trittgefühl und meldet recht zuverlässig, ob der Fuß sicher steht. Dabei macht es keinen Unterschied, ob ich an bleauschem Sandstein, auf Minileisten, abgespeckten Reibungstritten oder Volumen in der Halle unterwegs bin. Die Gelegenheiten, bei denen der Schuh nicht gehalten hat, kann ich nach zweieinhalb Monaten Testzeit locker an einer Hand abzählen, wobei gut die Hälfte davon nicht ganz optimaler Technik meinerseits zuzuschreiben ist. Die asymmetrische Schnittform, stabile Schuhspitze und das verwendete Vibram XS Grip-Sohlengummi lassen das Versprechen eines Performance-Schuhs also durchaus Wirklichkeit werden. Auch Heelhooks greifen beim neuen Modell bombenfest, was den Schuh grundsätzlich zu einer guten Wahl für athletischere Kletterei macht. (Darauf, warum das möglicherweise nur eingeschränkt der Fall ist, komme ich gleich zu sprechen.) Den von mir gestellten Anspruch eines Allrounders können die Vertika also grundsätzlich erfüllen, sieht man von einer kleinen Ausnahme ab: Für Toehooks sind sie nur sehr begrenzt geeignet. Zum einen bieten der nach vorn abfallende Spann und das Obermaterial wenig Halt, zum anderen wird letzteres beim Einhaken der Zehen schnell in Mitleidenschaft gezogen.

Verarbeitung: Persönliches Pech oder echter Mangel?

Das bringt mich direkt zur Verarbeitung. Hier hat sich Simond scheinbar etwas mehr als beim Vorgänger ins Zeug gelegt. Überschüssiger Kleber auf dem Leder ist bei meinem Paar quasi nirgends zu finden, sämtliche Nähte machen einen soliden Eindruck und sind so gesetzt, dass sie weder drücken noch beim Klettern beansprucht werden. Wer meinen Test des Vuarde Tech Slippers gelesen hat, weiß allerdings, dass ich hier mit ganz anderen Problemen zu kämpfen hatte: einem sich durch einen Hook lösenden Fersengummi. Beim Kauf der Vertika hatte ich deshalb besonders auf diesen Punkt geachtet und ein Paar gewählt, bei dem die auf das Randmaterial aufgeklebte Sohle möglichst flach anliegt, damit Fels und Plastik bei Hooks wenig Angriffsfläche finden. Gebracht hat es leider nichts. Vergangenes Wochenende habe ich erneut Gummi gelassen. Dieses Mal war keine scharfkantige Felsschuppe, sondern ein glatter Plastiksloper für das Ablösen der Sohle verantwortlich.

Einmal abgelöst könnte der nächste Hook der letzte sein.
Einmal abgelöst könnte schon der nächste Hook der letzte sein.

Bei mir kommt deshalb zwangsläufig die Frage auf, ob ich zwei Mal Pech hatte oder sich Simond ein Qualitätsproblem vorwerfen lassen muss. Für den französischen Hersteller spricht, dass Bekannte von mir weder mit dem Vuarde Tech noch dem Vertika ähnliche Erfahrungen machen mussten, dagegen allerdings, dass Heelhooks zu meinen technischen Stärken zählen und meine Vapor V auch nach drei Jahren keine vergleichbaren Schäden vorzuweisen haben.

Hook-Schäden, die Zweite

Das ist allerdings nicht der einzige Makel, mit dem die Vertika mittlerweile kämpfen. Nach zwei bis drei Einsätzen pro Woche und einem Kurzurlaub in Fontainebleau hat die Oberseite der Schuhe durch Toe-Hooks merklich gelitten. Dass es hier um die Haltbarkeit nicht übermäßig gut bestellt ist, zeigte sich schon nach wenigen Versuchen, die im Ablösen des Deckmaterials des unteren Klettverschlusses resultierten. Weil sich darunter festes Gewebe befindet, dürfte das mittelfristig nur ein kosmetisches Problem bleiben – ganz im Gegensatz zur Beanspruchung der Lasche, durch die der Verschluss geführt wird. Hier hat sich der Stoff nach ein paar Wochen derart ausgedünnt, dass das Material zur Hälfte eingerissen ist. Damit dürfte es wohl nur noch eine Frage von Tagen sein, bis die Lasche komplett abreißt. Der Grund dafür ist nicht in der Verarbeitung, sondern beim Design zu suchen. Dadurch, dass die Laschen auf der Innenseite zu finden sind, werden sie bei flächigen Toe-Hooks immer mitbelastet und reiben in kurzer Zeit durch. Lösen ließe sich das Problem, wenn die Umlenkung des unteren Klettbandes auf der Außenseite des Schuhs liegen würde. Woher ich das weiß? Scarpa macht es beim Vapor V genau so und verhilft dem Schuh so zu mehr Langlebigkeit.

Früher Verschleiß: Nach knapp zwei Monaten ist das Material der Lasche durchgewetzt.
Früher Verschleiß: Nach knapp zwei Monaten fordern Toe-Hooks ihren Tribut.

Fazit: Kaufen oder liegen lassen?

Nachdem die Vertika so schnell den Geist aufgegeben haben, bin ich zugegebenermaßen etwas enttäuscht. Auch wenn der Schuh für knapp 75 Euro vergleichsweise günstig ist, erwarte ich nicht unbedingt, dass ein beim Bouldern durchaus normaler Einsatz derart schnell seinen Tribut fordert. Auf der anderen Seite gehört der Vertika in Sachen Passform und Präzision für mich definitiv zum Besten, was ich bis jetzt an den Füßen hatte. Nimmt man beides zusammen, würde ich eine Kaufempfehlung mit Einschränkung aussprechen. Für Sportkletterer, die Heel- und Toe-Hooks eher stabilisierend einsetzen, ist der Vertika mit Sicherheit eine Wahl, die zufriedenstellt. Wer allerdings im gehobenen Schwierigkeitsgrad bouldert (Fb 7a aufwärts) und sich dabei häufiger in athletischen Dächern aufhält, wird an diesem Schuh womöglich nur kurze Zeit Freude haben. Das liegt nicht allein an der möglicherweise mangelhaften Verklebung der Sohle im Fersenbereich – hier könnte ich tatsächlich einfach Pech gehabt haben – sondern auch am designbedingten Verschleiß des Verschlusssystems. Die ebenfalls erhältlichen und einen 10er günstigeren Slipper sind für diesen Einsatz vermutlich die bessere Wahl, schließlich scheint es sich um eine bis auf die Farbgebung quasi identische Neuauflage des Vuarde Tech Slipper zu handeln.

//Nachschlag: Heute klingelte der freundliche Postmann mit einem neuen Paar Simond Vertika im Gepäck. Schon bevor ich den Artikel veröffentlicht hatte, fragte ich bei Decathlon wegen eines Umtauschs der Schuhe an, den man anstandslos akzeptiert hat, obwohl ich den Schuh in einer Filiale gekauft hatte und keinen Kassenbon vorzeigen konnte. Das ist natürlich ein echter Pluspunkt.

//Nachschlag 2: Wer als Boulderer mit dem Vertika geliebäugelt und sich aufgrund meines Tests nun gegen den Schuh entschieden hat, kann dem Simond Edge eine Chance geben. Mein erstes Paar dieses Modells habe ich kurz nach Veröffentlichung dieses Tests gekauft und bin nach wie vor zufrieden mit dem Schuh – auch wenn bereits das zweite Paar angeschafft werden musste. In einigen Punkten gefällt mir der Edge besser als der Vertika: Zum einen sitzt er im Zehenbereich weniger straff und gibt vor allem den kleinen Zehen etwas mehr Raum, unterstützt den Fuß aber gleichzeitig gut genug, um auch kleine Tritte sicher zu stehen. Das ist ein Komfortplus. Zum anderen hat sich Simond um die Schwachstelle an der Ferse gekümmert. Der Sohlengummi des Edge ist etwas länger als beim Vertika und zieht sich bis zur Achillessehne. Dadurch liegt die Kante des Gummis nicht mehr in genau dem Bereich, mit dem üblicherweise der Kontakt zwischen Fels und Schuh beim Hooken hergestellt wird. Folglich bietet der Schuh weniger Angriffsfläche und ist damit sicherer vor dem Abriss des Fersengummis. Dieses kleine Detail sorgt dafür, dass ich bisher keine Verluste zu beklagen hatte. Einziger Kritikpunkt bliebe, dass der Edge mit seiner abfallenden Spitze und dem Schnürsystem nicht sonderlich gut für Toe-Hooks geeignet ist. Das ist aber ohnehin keine Spezialität von Schnürern. Hier sind Slipper besser aufgestellt.

4 Gedanken zu „Simond Vertika: Der Vuarde Tech-Nachfolger im Praxistest

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